Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Endlich wieder Sonne!

Von Belorado nach Arges, 28 km

Bah! 5:30 Uhr! Das ist mir echt zu früh! Heute klingelt der Wecker eine halbe Stunde früher als sonst. Wir haben einen langen Tag vor uns, deshalb wollen wir zeitig los.

Als wir Belorado und unsere freundlichen Herbergseltern verlassen, ist es saukalt. Da mag ich mal wieder ans Zelt gar nicht denken!

Wieder mal reihen wir uns in den Wanderstrom ein. Inzwischen kennt man die Gesichter. Die Namen hat man meistens noch nicht herausgefunden, außer einen, den kennt jeder: Den Namen "Sira". Jeder grüßt und tätschelt, man kommt immer wieder mit den Leuten ins Gespräch. Das Thema ist auch fast immer gleich: Sira und das Pilgern. Ich wüsste gerne mal, über was wir reden würden, wenn Fiffi nicht dabei wäre. Vielleicht hätten wir dann gar nichts zu reden.

Die Zeit bis zu dem Dorf Tosantos vergeht schnell. Es ist Zeit für eine Pause. Ich wäre ja für eine Parkbank, aber Papa gelüstet es nach einem Käffchen und ich könnte eigentlich auch ein Klöchen vertragen. Also suchen wir die einzige Bar im Ort auf. Hunde: Bitte draußen bleiben! Gut, das ist machbar. Ich binde sie am Pfahl fest und gehe zügig hinein. Und schon geht das herzzerreißende Gejammer los. Aber da müssen wir durch. Jeder neu ankommende oder fortgehende Pilger tätschelt sie wieder oder macht irgendein "Tutschitutschi!" mit ihr. Naja, damit hat sich das Geheule scheinbar gelohnt und sie setzt wieder ein, sobald man ihr den Rücken kehrt. Alle in der Bar zerfließen. Scheinbar klingt sie so verzweifelt, dass sogar ein niedlicher, mittelgroßer Hund vorbeikommt, um sie zu trösten. Mit dem will sie sofort spielen. Sie zieht ihm ein paar Mal herausfordernd ihre Pfote durchs Gesicht und damit reicht es dem alten Herrn. Er zieht von dannen und Sira jammert weiter, bis wir die Bar verlassen.

  Über weite Feldwege laufen wir immer weiter in einen wirklich schönen Tag. Die Sonne scheint und der Himmel ist nur von ein paar Schäfchenwolken überzogen. Da aber trotzdem immer mal ein Windchen pfeift und es auch im Allgemeinen nicht übermäßig warm ist, bleibt zumindest die lange Hose auch den restlichen Tag über an, aber wenigstens die Jacke wird phasenweise abgeschmissen.

Nach Villambistia und Espinosa del Camino erreichen wir Villafranca Montes de Oca. Und schon ist wieder Pausenzeit! Schön, wenn man sich so von Dörfchen zu Dörfchen hangelt, vergeht die Zeit ganz schön schnell!

Wir begeben uns an den Plastiktisch vor der nächstmöglichen Bar in der Sonne und Sira versucht sich vergeblich mit dem motzigen kleinen Fiffi des Hauses anzufreunden, als ein deutscher Reisebus vorfährt. In ihm einige ältere Damen, wenige Männer und ein vielleicht zwanzig Jahre alter Kerl, der den Altersdurchschnitt schwer in den Keller haut. Der Busfahrer ist ein unangenehm lauter und aufgesetzter Typ, der uns noch allerhand schlaue Tipps mit auf den Weg gibt. Na, herzlichen Dank, du musst es ja wissen!

  Kurz bevor wir gehen wollen, gesellt sich, wie auch schon heute morgen und auch nochmal am Nachmittag, ein junger Mann aus Bochum zu uns. Wir treffen ihn seit Tagen immer mal wieder. Er hat Probleme mit seinem Knie, will aber trotzdem heute und morgen die gleichen langen Etappen laufen wie wir, um am Samstag, rechtzeitig zum Champions-League-Finale, in Burgos zu sein. Also auch nix mit Schonen oder so... Kann ja jeder machen, wie er meint.

  Von jetzt an steigen wir steil hinauf  in die Oberstadt, in der ein alter Mann mit blutunterlaufenen Augen uns noch einen Tipp für eine Variante mit dem Wheely gibt. Dankbar verabschieden wir uns. Er sagt uns: "Ages: 20 km!" Naja, das wollen wir aber noch sehen. Wir nicken freundlich und klettern weiter den Berg hinauf durch die Montes de Oca, die Gänseberge.

Bald treffen wir die Buswandergruppe, die uns anlächelt. "Wir haben gehört, ihr seid von Köln losgelaufen!" Meine Güte, jetzt zieht unsere Prominenz aber langsam Kreise... Die sind doch erst seit heute hier unterwegs, wer hat denen das denn schon erzählt?!? Wir reden zwei, drei Sätze und ziehen dann an ihnen vorbei.

  Auf den folgenden acht Kilometern laufen wir über eine  blendend helle Piste ohne nennenswerte Steigung oder Gefälle. Mein einziger Lichtblick ist San Juan de Ortega. Das Dorf besteht aus nicht viel mehr als einer Kirche, einer Pilgerherberge und einer Bar, also aus allem, was das Pilgerherz begehrt. Darum ist hier auch alles voll.  Auf den Bänken sitzen vereinzelte Pilger allein, ebenso wie an   den Tischen der Bar. Wir gesellen uns zu einer interessant-geselligen Truppe, die in lockerer Runde auf dem Boden im Kreis ist.

Nach einem Bierchen in der Sonne, laufen wir die letzten vier Kilometer und ich erreiche mit hochgradig verbrannten Wangenknochen die Unterkunft.

Endlich mal wieder eine Albergue! Wir sind positiv über den Preis überrascht und freuen uns, als der Hospitalero uns ohne Komplikationen unser kleines Zimmer zeigt. Rustikal und Dachgeschoss, in dem man nicht richtig stehen kann, aber wir sind zufrieden. Es könnte uns schlechter gehen!

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Kommentare: 3
  • #1

    Mama Ingrid (Freitag, 24 Mai 2013 23:54)

    Hihi, die "Camino-Promis"
    Na, von Schonen müsst ihr grad reden! Ihr würdet doch auf dem Zahnfleisch noch nach Santiago kriechen.
    Mich wundert, dass die neuen Schuhe gar nicht mehr erwähnt werden. Scheinen doch gut eingelaufen worden zu sein...

  • #2

    seine (Samstag, 25 Mai 2013 10:12)

    Hallo Ihr Pilger,
    wir versuchen Euch seit dem Wechsel von Frankreich nach Spanien zu erreichen. Die Verbindung hat nicht geklappt.
    Dann jetzt, herzlichen Glückwunsch zur Beendigung des Weges in Frankreich, unsere Gedanken und guten Wünsche
    begleiten Euch auf dem "Camino" nach Santiago und zum
    "Ende" der Welt.
    Willi und Maria

  • #3

    Dani (Samstag, 25 Mai 2013 12:11)

    Also, mittlerweile möchte ich ja fast behaupten, dass ihr die prominentesten Pilgerer ever seid.