Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Andere Länder, andere Sitten!

Von Pimbo nach Pomps, 26 km

  Als die Japanerin gestern Abend ihr Bett richtet, schaue ich ihr irritiert zu. Als Laken dient  ihr etwas, was aussieht wie ein dickes Stück Papier. Darauf legt sie ihren Schlafsack, mit der Unterseite auf dem Kopfkissen. Sie schlüpft in ihren Schlafsack und schläft. Hm, schläft man so in Japan? Interessant...

Bei meiner abendlichen Gassirunde mit Sira ist es draußen sehr stürmisch. Der Wind fegt uns bald von der Straße. Das lässt ja die Hoffnungen für den nächsten Tag nicht wirklich aufblühen...

Ich bin froh, als ich danach in meinen Schlafsack schlüpfen kann. Plötzlich überkommt mich aber ein fürchterlicher Juckreiz am ganzen Körper. Mückenstiche? Nein, zu breitflächig. Schlafläuse? Ich denke nicht! Bettwanzen? Gott bewahre, bitte nicht! Ich stelle mir gerade bildlich vor, wie ich von tausenden Krabbelviechern eingenommen werde, als ich einschlafe. Am nächsten Morgen juckt mich nichts mehr. Was auch immer das war, jetzt ist es auf jeden Fall erstmal weg.

Unser französischer Mitbewohner ist zwar bei Weitem nicht so isoliert wie unsere Japanerin, führt aber mindestens genauso kontinuierlich Selbstgespräche. Den ganzen Morgen ist er damit beschäftigt. Sind wir auch so?!?

Nach dem Frühstück verlassen wir, wie immer so gegen acht Uhr unsere Unterkunft. Es regnet. Na toll! Wenigstens ist es warm dabei. Fast tropisch. Und wieder mal werden bei mir Erinnerungen an Sambia wach, speziell an die Regenzeit. Das waren noch Zeiten...

  Papa hat auch auf sehr sambische Weise die abgelöste Schnalle seines Wheelys geflickt: mit einem Schnürsenkel. Damit ist das Ganze jetzt zumindest vorerst fixiert und löst sich nicht weiter ab. Damit kommen wir hoffentlich bis zu der nächsten helfenden Hand, die uns das Ganze wieder fachmännisch befestigt.

  Der Regen begleitet uns die erste halbe Stunde, dann können wir uns endlich aus unseren Jacken schälen. Damit ist mir wirklich zu heiß! Wir steigen von Pimbo aus erst den Hügel hinab und laufen dann immer weiter durch große Ackerflächen. Der Weg ist äußerst Wheely-freundlich, nämlich asphaltiert. Für mich nicht das schönste Stück Weg bisher. Außerdem bin ich schon wieder unzufrieden. Auf Siras Kopf und am Hals bilden sich wieder große, tiefrote Blutflecken. Ihre Ohrwunden sind mal wieder auf, tiefer und blutender als sonst. Das bedeutet, wir sind wieder einen bis zwei Tage weiter von einer Heilung entfernt, weil sie sich zu ausgiebig geschüttelt hat. Manchmal frustriert das echt. Ich bin gespannt, ob die Wunden es schaffen, zuzuheilen, bevor wir wieder heimkommen.

Nach Arzacq-Arraziguet erreichen wir einen See. Rundherum wurden nur wenige Häuser gebaut. Eigentlich komisch, ist doch eine schöne Lage... Bald glaube ich zu wissen, warum der See so dünn besiedelt ist. Ein ohrenbetäubendes Froschkonzert wird eröffnet. Dabei kann man nachts wahrscheinlich trotz doppelt isolierter Fenster und Ohropax nicht schlafen!

  Im nächsten Dorf passieren wir einen eigenartig geschmückten Baum. In einer Nische stehen eine Jakobus- und eine Marienstatue, davor ist ein Kerzenständer angebracht. Umringt wird das Ganze von Wimpeln mit persönlichen guten Wünschen von "Mama" und "Pierre", von Rosenkränzen, einer Eichhörnchenskulptur, zwei Einlegesohlen, einem Fahrradreflektor und Briefchen, die in die Baumritzen geklemmt wurden. Was ist das? Ein Schrein, den vorbeikommende Pilger errichtet haben? Vielleicht... Hinter dem Baum befindet sich ein eingezäuntes Grundstück, auf dem notdürftig aus großen Steinen ein Tisch und zwei Bänke zusammengeschustert wurden. Das Ganze ist dekoriert mit Jakobsmuscheln. Sieht aus wie der perfekte Platz für uns! Wir lassen uns nieder und Sira wird von der Leine gelassen. Sie bewegt sich wie in Zeitlupe und hat nichts besseres zu tun als Mäuse und Maulwürfe zu erschnuppern und auszubuddeln. Sie versucht es wenigstens. Leider bin ich immer wieder schnell genug, um sie von ihrem Lieblingshobby abzuhalten. Geht doch nicht, bei diesem schönen englischen Rasen!

Nach der Pause ziehen wir über wenige weitere Dörfer und über wenig spektakuläre Teerstraßen dahin. Papa und sein Wheely freuen sich, das Zweiergespann Sira-Annika ist allerdings not very amused. Das muss ich jetzt auch nicht ewig haben, dass wir wegen der Karre nur noch Teerstraßen laufen...

  Die Sonne gräbt sich weiter und weiter in meine Oberarme, als es in Lareulle Zeit ist für eine zweite Pause. Wir folgen den Schildern zu einer Art Cafe mit heißen und kalten Getränken und Snacks. Zwei Hütehunde begrüßen uns gleich mit freudig-vorsichtig-zurückhaltender Art. Wenn Sira knurrt, legen sie sich sofort schelmisch guckend hin. Lustig und problemlos zugleich. Wir gesellen uns an einen großen Tisch mit einem Schweizer Paar, das auch zu Hause gestartet ist und vier Norwegern, die nur drei Wochen unterwegs sind. Einer von ihnen trägt allein 17 kg an Klamotten. Wahnsinn, soviel besitze ich wahrscheinlich nicht mal zu Hause in meinem Kleiderschrank!

Auf den letzten Kilometern vor Pomps, dem Ziel des Tages, holen wir wieder einen Teil des Trüppchens aus dem Elsass ein. Wie so oft werden wir gefragt, ob wir verheiratet sind. Hallo? Spricht das jetzt für den Papa oder gegen mich?!? Denken die, jetzt muss der alte Mann dem jungen Ding nochmal beweisen, was er kann und deswegen schleppt sie ihn über diesen Weg? Pah! Wenn das so wäre, würde ich mir viel bessere Sachen einfallen lassen...

  In Pomps ist die Gite Communal schnell gefunden. Über eine Art Bolzplatz gelangen wir zu einer Turnhalle, an die eine Küche angeschlossen ist. Krawall dringt aus der Turnhalle. Ich glaube, das ist das, wasmanbeiuns in den Schulen Nachmittagsbetreuung nennt. Basketball ist angesagt. Als man uns sieht, schreit ein circa Siebenjähriger: "Pelerin, Pelerin!" und rennt zur Küche. Eine ältere Dame mit Übergewicht und schlechten Zähnen weist uns zwei Betten am Rande der Turnhalle zu. Cool, mal was anderes. Im eigentlichen Schlafsaal dürfen wir nicht schlafen, wegen dem Hund. Das ist aber nicht unbedingt das Schlechteste. Während in der Massenunterkunft die kleine Japanerin, die zwei Schweizer, die vier Norweger, vier Franzosen und ein weiterer Deutscher heute Nacht vermutlich eine meisterhafte Nachtmelodie abliefern werden, haben wir die Turnhalle ganz für uns allein!

  Zum Abendessen gibt es mal wieder Nudeln in Suppe gekocht, diesmal mit einer lieblos draufgeklatschten Scheibe Gouda verfeinert. Alle anderen haben Halbpension gebucht. Als wir uns unser Süppchen schmecken lassen, kommt die Schweizerin zu mir und fragt, ob sie meinem Hund die Innereien-Würstchen geben dürfte, die Teil ihres Abendessens waren. Na klar doch! Also ich muss ja sagen, ich bin, was Essen angeht, ziemlich hart im Nehmen, aber diese Wurst riecht wirklich wie der eklige Pansen, den ich Sira manchmal zu Hause gebe. Dem Hund schmeckts, also landen auch noch weitere fünf Würste im Napf. Ein Festmahl für Sira!

  Da muss ich doch zusammenfassen: Privatsuite für 5€ pP, gutes Essen für einen Euro; wieder alles richtig gemacht!

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Kommentare: 2
  • #1

    Dani (Donnerstag, 09 Mai 2013 23:25)

    Immer noch siras Ohr?! Dachte das Thema wäre längst durch. In der Heimat kursiert übrigens das Gerücht dass ihr zwei Jahre auf Wanderschaft sein werdet. Ihr seid jetzt schon Legende.

  • #2

    Mama Ingrid (Samstag, 11 Mai 2013 00:03)

    ECHT??? Ihr werdet oft gefragt. ob ihr verheiratet seid? Hihi. Na ja, jetzt muss der alte Sack dich zur Abwechslung mal nicht auf seiner Yacht vor Cannes rumschippern, sondern dich auf dem Camino begleiten. So isset eben, wenn man sich ne Junge nimmt.
    Macht doch ne Geschichte draus ;-)