"Ein Bach muss auf Trittsteinen gequert werden." Na super. Noch am Abend liest Papa mir diese Zeile aus unserem Wanderführer vor und beschert mir eine schlaflose Nacht. Ich frage mich, wie ich
und meine Schissbutz Sira das wohl machen werden.
Der Morgen begrüßt uns mit Schneefall. Erst nur ein bisschen, dann immer mehr. Mit Regenschutzhülle um den Rucksack steigen wir von Pontempeyrat steil über einen Feldweg auf in den "Parcours
Naturel Régional Livrandois Forez".
Hinter Orcerolles, einem Dörfchen auf der Anhöhe, folgen wir bald dem "Chemin de César", einem Teil der alten Römerstraße. Bis kurz vor unserem Tagesziel Bellevue-la-Montagne folgen wir ihr
stetig, quasi immer geradeaus.
Als wir in Orcerolles den Holzlader sehen, der am Beginn "unseres" Feldweges parkt, schwant uns Übles. In der Regel heißt das, Waldfahrzeuge und Forstmaschinen haben den weiteren Weg zerfurcht,
der Regen hat alles aufgeweicht und wir müssen durch Matsch waten.
Wir haben ja so recht! Keine zweihundert Meter später ist der Forstweg so unangenehm matschig, dass wir auf die Seitenränder ausweichen, sofern es welche gibt. Sira ist da ein bisschen
gelackmeiert. Die Seiten des Weges sind oft voller Brombeerranken, also hat sie die Wahl zwischen gepiekst und eingesaut werden. Rosige Aussichten! Da fände ich mich als Frauchen auch manchmal
blöd... Sie hält es wie immer und hüpft leichtfüßig um den tiefsten Matsch herum und ich fliege am Ende der Leine hinterher. Eine angemessene Form von Rache, finde ich...
Nach einer Weile laufen wir auf einen Bach zu, der sich über den Weg ergießt, vielleicht zwei Meter breit und mit einem dicken Stein in der Mitte. "Na, wenn das die Flussüberquerung mit
Trittsteinen ist, hätte ich mich gar nicht so bekloppt machen müühühüüüü......!!!" Und schon hat Sira einen Satz über das kühle Nass gemacht und ich erwische so gerade noch den Trittstein. Papa
lacht sich kaputt und ich wünsche ihm, dass er sich mindestens ein nasses Bein holt. Vergebens!
Wir trotten weiter über teils schlammige, teils grausigen Pfade und ich atme gerade innerlich auf, weil Sira und ich diese Schikane so gut überwunden haben, da tut sich vor uns ein
rauschender, ca. vier Meter breiter Fluss auf, vielleicht einen halben Meter tief, rechts und links mit Stacheldraht umrandet und links am Draht entlang mit ein paar wackeligen, nicht
vertrauenswürdigen Steinen ausgelegt. Ich wäge kurz ab. Für alle Scherzkekse zu Hause: Nein, da kann ich NICHT einfach so drüber springen! Das konnte ich schon zu Schulzeiten nicht, dann wohl
hier mit Rucksack und Hund erst recht nicht. Ok, ein Absturz wäre nicht lebensbedrohlich, aber bei der Kälte klitschnass weiterlaufen zu müssen, grenzt ziemlich nah ans Lebensbedrohliche.
Also ran an die Sache! Der Hunderucksack wird ausgezogen, der Hund kommt an die Schleppleine, Papa hält Sira fest und ich mache mich mit Hunderucksack und Leinenende in der Hand an die
Überquerung. Mithilfe des Stacheldrahtes, an dem ich mich entlanghangele, geht das Ganze einfacher als erwartet und Papa, der schon sensationslüstern die Kamera im Anschlag hat, wird enttäuscht.
Ha! Sira macht sich auch erstaunlich unerschrocken auf den Weg und hat das Ganze schnell und unbeschadet hinter sich. Als auch Papa mehr oder minder trockenen Fußes den Bach überquert hat, ist
Sira allerdings so nachträglich beeindruckt von ihrer eigenen Courage, dass sie kurz an der Schleppleine durchdreht. Sie rennt vier- oder fünfmal wie ein aufgestochenes, albernes Huhn hin und
her, bis sie sich wieder einkriegt und wir mit stolz erhobenen Häuptern weiterlaufen. Ha! Flussüberquerung: Check!
Nach einer Weile, genauer gesagt nach knapp drei Stunden Marsch, gibt der konstante Regen-Schnee-Mix endlich auf und wir machen unsere erste Pause auf gefällten Bäumen. Na also, ist diese ganze
Matsch erzeugende Forstarbeit doch zu etwas nutze!
Heute passieren wir extrem wenig Orte! Durch Wald und Weiden folgen wir der Römerstraße immer weiter, bis es Zeit ist für unsere zweite Pause, wieder auf Forstgut.
Während wir uns unsere Brote schmecken lassen, geht Sira ihrer neusten und liebsten Pausengestaltung nach: Buddeln! Mit Vorsicht fängt sie an zu scharren, bis sie schließlich Drecksklumpen
um sich schmeißt und mit den Vorderbeinen komplett in ihrem neuen Meisterwerk liegt, den Hintern in die Höhe gestreckt. Wir sind amüsiert von diesem Vogel-Strauß-Anblick und Papa zückt seine
Kamera.
Ich weiß nicht, ob das am Tier Hund im Allgemeinen liegt oder ob es eine Sira-Spezialität ist, aber wie so oft auf unserem Weg beendet sie ihre Aktion ab dem Moment, in dem Papa auch nur ans
Fotografieren denkt. Man lässt sich schließlich nicht von jedem ablichten...
Als uns wieder mal die Kälte hochtreibt, ist es Nachmittag. Und auch nach der Pause bleibt uns nichts erspart: in einer Senke dürfen wir uns wieder einen Weg suchen, der uns trotz breitflächiger
Bachläufe und moorähnlichen Weideflächen einigermaßen trockenen Fußes vorankommen lässt. Als ich kurzzeitig keinen Ausweg mehr sehe, begebe ich mich in die offensichtlich schlammigen Untiefen
unseres "Weges" - und stehe gleich darauf knöcheltief im Modder. Sira ackert sich gefasst durch das Kneipp-Bad. Ich glaube, gerade ist sie froh, dass sie kein Chihuahua ist. Papa findet dann
dummerweise doch noch einen trockeneren Weg. Gemeinheit!
Bald verlassen wir den Wald und gelangen bei Monthiol kurzzeitig auf eine Teerstraße. Und siehe da: es ist hell! Die Sonne scheint! Und wir haben Fernsicht! In zig Kilometern Entfernung
können wir die Berge mit ihren schneebedeckten Satteln erkennen. So weit konnten wir lange nicht mehr sehen.
Wenig später erreichen wir unser "Hotel des Voyageurs" in Bellevue-la-Montagne.
Und jetzt lieg ich hier und schreibe, während rechts von mir Papa unsere weitere Route plant und links von mir ein vollgefressener Hund zufrieden schläft, stöhnt und pupst. Was ein Pilger halt
abends so macht...
Kommentar schreiben
Dani (Dienstag, 09 April 2013 09:06)
Hahaha!!! Sehr amüsant. Nur Geduld. Der Sommer kommt schon noch.
Juicer Reviews (Dienstag, 16 April 2013 09:57)
This is an excellent write-up! Thanks for sharing!