Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Der Alte

 

Hallo! Dieser nette, sympathische, (zugegeben) etwas ältere Herr nebenan bin ich, Reinhard Wagner, Vater von Annika, genannt "Opa". Wie ich zu diesem Spitznamen gekommen bin? Ganz einfach: Zwar bin ich auch schon ein Mal wirklicher Opa, aber der Ursprung liegt woanders. In unserer heimischen Theatergruppe, bei der ich auch Regie führe, habe ich schon öfter mal eine Großvaterrolle übernommen, und seitdem ein guter Freund mich eines Nachmittags mal deshalb über die Straße hinweg unter Ohrenzeugen mit "Hallo Opa!" begrüßte, habe ich meinen Namen eben weg. Ich denke aber, es gibt Schlimmeres!

 

Tja, wer bin ich eigentlich ...? Also zunächst mal Vater von sechs tollen Kindern! Annika liegt bei ihnen altersmäßig so in der Mitte, ist also ein Sandwich-Kind, die sich gegenüber ihren fünf Brüdern sehr wohl zu behaupten weiß. Vier meiner Kinder haben mich schon auf längeren Wandertouren begleitet, ein Traum von mir ist immer noch, sie bei einer gemeinsamen "Familien-Expedition" mal alle dabei zu haben.

 

Von Beruf bin ich seit einem halben Jahr - "Rentner"! Genauergesagt befinde ich mich seitdem in der sogenannten "Freistellungsphase der Altersteilzeit". 37 Jahre lang war ich Lehrer, davon 21 Jahre in der Schulleiterfunktion an Grundschulen. Damit hatte ich - und das meine ich ernst - den schönsten Beruf der Welt. Kinder bedeuteten mir schon immer viel, beruflich wie privat.

 

Meine Hobbys sind Theaterspielen, Lesen, Reisen und - Wandern, Wandern, Wandern ... Diverse Ehrenämter brachten mir in der Vergangenheit so manchen Freizeitstress ein und es war viele Jahre lang recht mühsam, familiäre Verpflichtungen, den Beruf, meine Hobbys und Ehrenämter unter einen Hut zu bringen. Jetzt, mit meinem beginnenden "Rentnerdasein", wird das hoffentlich etwas besser funktionieren und mein Leben in etwas ruhigeren Bahnen verlaufen.

 

"Ruhigere Bahnen" soll aber nicht bedeuten, dass ich zur Couchpotatoe mutieren werde. Ich habe noch viel in meinem Leben vor, der Jakobsweg ist eines davon.

 

 

 

 

Die Junge:

 

Tja, wie ihr schon gesehen habt, das war der Papa und jetzt kommt das Kindchen. Annika ist mein Name, auch genannt Afrika.

 

Mein Name hat, ebenso wie Papas, eine kleine aber feine Geschichte:

 

In der Wohngruppe, in der ich die ersten eineinhalb Jahre meiner Ausbildung verbrachte, habe ich viele Menschen kennen gelernt, sowohl Bewohner wie auch Betreuer. Diese Bewohner hatten zum Teil Probleme, Namen richtig auszusprechen. Also taufte mich einer von ihnen - ich nenne ihn jetzt mal den Mühlemann - kurzerhand "Afrika". Anscheinend fanden meine Kollegen, dass dieser Name viel besser zu mir passen würde. Und seitdem bin ich für dieses Trüppchen die "Afrika". Als ich dann auch noch nach Afrika gegangen bin, war der Name natürlich perfekt!

 

Hier schreib ich mal was, für alle, die es vielleicht noch nicht wissen.

Ich bin ein 27-jähriges Mädel mit drei großen und zwei kleinen Brüdern (ja, richtig gezählt, wir sind WIRKLICH sechs!) und einem chaotischen Leben, das ich immer wieder verzweifelt versuche zu ordnen. Mit mäßigen Erfolg...

Ich arbeite inzwischen wieder als Heilerziehungspflegerin, diesmal im Nachtdienst, in meinem alten Wohnheim, und spare Geld für unseren Jakobsweg!

 

Noch ein paar Dinge, die mir wichtig sind und die mich zu dem machen, was ich bin: Meine Familie ist mein Leben. In (übertrieben gesagt) völliger Selbstaufgabe reiß ich mir ein Beinchen aus für jede Kleinigkeit, die meine Familie und meine engsten Freunde betrifft. Diese ausgeprägte Form von Helfersyndrom erklärt, warum ich manchmal etwas anstrengend für die Betroffenen werde (Wehe, einer von euch bestätigt das jetzt!). Naja, ansonsten bin ich doch ein recht positiver Mensch, dem zu allem und jedem noch ein kleiner blöder Spruch einfällt und damit das Leben ein Stück leichter fällt.

 

So, ich glaube, das war jetzt tiefgründig genug...

 

 

 

 

 

Die Blutjunge

 

Natürlich melde ich mich hier als Jüngste im Bunde auch zu Wort. Sira ist mein Name. Mit „Jüngste im Bunde“ meine ich, ich bin noch keine zwei Jahre alt, hab aber schon Einiges erlebt.

 

Mein Spitzname „Griechische Göttin“ hat mit meiner Geschichte zu tun. Geboren wurde ich in Griechenland. Mit meiner Mama und meinen Geschwistern habe ich mich auf der Straße durchgeschlagen. Oft sind wir mit anderen Streunern aneinandergeraten. Leider war ich als Welpe oft unterlegen. Seitdem trage ich zwei Narben in meinem Gesicht. Das habe ich nie vergessen. Deswegen habe ich vor anderen Hunden fast immer Angst und tu so, als wäre ich ganz stark, zumindest an der Leine. Wenn ich nicht an der Leine bin, unterwerfe ich mich lieber ganz schnell, dann sind die anderen meistens nett zu mir und wir können spielen.

 

Viele Menschen in Griechenland können solche Hunde wie mich nicht besonders gut leiden. Ich weiß nicht mehr genau, wie es passiert ist, aber irgendwie hat mir jemand oder etwas die Rute gebrochen, als ich ein Baby war. Gute Menschen wollten mir helfen und haben meine schöne Rute amputiert. Leider haben sie dabei nicht gut aufgepasst, wo genau mein Bruch war, und jetzt hab ich nur noch ein halbes Schwänzchen, aber der Bruch ist noch da. Das sieht komisch aus, tut mir aber nicht weh.

 

Obwohl manche Menschen früher böse zu mir waren, hab ich alle Zweibeiner furchtbar gern. Ich wedle wie wild mit meinem Stummelschwanz, besser gesagt mit dem ganzen Körper, und möchte alle beschnuppern, ablecken und knuddeln. Vor allem kleine Kinder liebe ich besonders. Die sind nämlich wie ich: die machen Krawall, die toben, die quieken und rennen mit mir durchs Haus. Es ist ganz egal, wie alt oder wie groß die Menschen sind, ich bin immer nett und freundlich zu ihnen, nur manchmal vielleicht etwas zu wild. Mit mir kann jeder machen, was er will, ich kann einfach nicht böse werden.

 

Ansonsten bin ich eine sandfarbene Schönheit, bei der alle rätseln, was für Rassen sich wohl in mir verstecken. Man munkelt etwas von Labrador/Retriever/Schäferhund/Podenco/Pointer und es kommen stetig neue Varianten dazu. Meine Schönheit wird unterstrichen durch meine schwarz umrandeten Augen, die ich in der passenden Situation so schräg stellen kann, dass man mich mit meinem leicht arroganten Blick nur „griechische Göttin“ nennen kann. Und wenn ich DIESEN Blick aufgelegt habe, dann kann mir niemand mehr widerstehen!

 

Vielleicht war es mein betörender Augenaufschlag, der dafür gesorgt hat, dass gute Menschen mich und meine Familie nach Deutschland mitgenommen haben, als ich drei Monate alt war. Von da an war es für mich schwer. Viele Leute wollten mich gern zu sich nach Hause holen, weil ich so schön war. Als ich aber endlich bei ihnen war, hatte ich `ne Menge Quatsch im Kopf, wollte immer draußen oder drinnen spielen und viel spazieren gehen. Das war ganz schön anstrengend für meine neuen Menschen und sie haben mich zurückgegeben. Das ist mir immer wieder passiert.

In meinem letzten Zuhause war mir so langweilig, dass ich Herrchens Geldbörse gefressen hab. Das hat ihn so böse gemacht, dass ich ganz schnell ein neues Zuhause brauchte. Also hat mich ganz schnell eine nette Frau zu sich nach Hause geholt, wo aber zwei andere riesige Hunde wohnten, vor denen ich so wahnsinnig viel Angst hatte, dass die Frau mit mir bei einer Freundin geschlafen hat. Am nächsten Morgen wollte sie mich in eine Tierpension bringen, wenn mich sonst niemand aufnehmen kann. So langsam war ich wirklich traurig. Keiner wollte mich haben...

 

Und dann kam mein Frauchen Annika mich abholen. Als sie so vor mir stand, hab ich sofort gemerkt, dass sie ganz schön unsicher war. Was die alles gefragt hat! Die wusste ja nicht mal, wie man ein Autogeschirr anzieht! Na, DAS konnte was werden. Auf der laaaaaangen Fahrt von Essen nach Eitorf war alles komisch. Ich wollte nicht wieder irgendwo anders hin! Wo es vielleicht noch blöder ist, als alles, was vorher war.

 

Als ich dann in meinem neuen Zuhause ankam, hab ich ganz lange nicht geglaubt, dass ich hier jetzt bleiben darf. Immer wenn ich ins Auto sollte, dachte ich, man gibt mich wieder ab. Aber das hat keiner gemacht. Nach vier Monaten in Deutschland hab ich endlich ein eigenes Körbchen, Spielsachen, ein Herrchen, das mir aus der Hand frisst und gar keine Lust mehr, teure Sachen kaputt zu machen. Kleine Dinge aber, wie zum Beispiel Ü-Eier-Figürchen, klaue ich mir schon ganz gerne mal und zerknusper sie. Meine Menschen schimpfen dann zwar, aber trotzdem muss ich nicht wieder weg. Erst nach einem halben Jahr in meinem neuen Zuhause hab ich das verstanden.

 

Und ich tobe so gerne! Wenn ich dann vor „meinen“ Menschen stehe und (wie die sagen) grinse und mit dem Bürzelchen wedle, dann weiß ich, ich bin hier richtig!

 

Außerdem machen Herrchen und Frauchen mit mir oft lange Spaziergänge und ich kann im Wald köstliche Fährten schnuppern. Und irgendwann, wenn Frauchen mal nicht aufpasst, hole ich Herrchen und mir einen leckeren Hasen- oder Rehbraten, denn jagen tu ich für mein Leben gern!

 

Was Frauchen jetzt mit mir vorhat, hab ich noch nicht so ganz verstanden. Ich muss jetzt oft so komische Taschen auf dem Rücken tragen. Frauchen sagt, ich soll mich dran gewöhnen. Und wir fahren immer wieder mit dem Zug und gehen lange Wege, die ich noch nie gegangen bin. Das ist immer sehr aufregend.

 

Und in letzter Zeit packt mein Frauchen ihre eigene große Tasche immer wieder ein und aus, schnallt sie auf ihren Rücken, rennt damit zur Waage, packt wieder alles auf dem Bett aus und wieder ein, und so weiter. Ich weiß nicht, warum sie das macht. Ich spüre nur, dass was Spannendes passieren wird, wie immer, wenn sie die große Tasche packt. Wenn sie das macht, lege ich mich vorsichtshalber immer mitten aufs Bett zwischen Frauchens Sachen, damit sie mich nicht vergessen kann.

 

Wehe, die geht ohne mich weg!