Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Ich hätte ja auch zurückpilgern können!

Von Poitiers bis Eitorf/Windeck, 900 km

Es ist für mich schon ein eigenartiges Gefühl, als wir morgens um 8 Uhr in Portiers ins Auto steigen. Heute Abend sind wir zu Hause!

 

Die lange Fahrerei gefällt mir überhaupt nicht. Vorgestern und gestern war es noch spannend. Vorgestern durchrasten wir noch Landschaften und Regionen, die wir vor Wochen zu Fuß durchstreiften: die Montes de Oca, die Montes de Leon, die Messeta. Gestern dann sogar ein flüchtiges Wiedersehen mit Orten und Örtlichkeiten direkt am Weg: Espinal, Zubiri, Roncesvalles, Ibaneta-Pass, Valcarlos, St.-Jean-Pied-de-Port. Punkte, an denen wir die Schnellstraße auf unserem Weg kreuzten, Baumalleen, an denen wir entlangzogen, Dörfer, die wir durchquerten, mit ihren roten Ziegeldächern und Storchennestern auf den Kirchtürmen.

 

Nach St.-Jean verlassen wir den "Dunstkreis" unseres Weges, fahren nun Richtung Norden - bezeichnenderweise aber wieder angelehnt an einen Jakobsweg.  Diesmal ist es die Via Turensis, der westlichste Hauptstrang der französischen Jakobswege, der über Portiers bis Tour führt. Sogar von dort hätte ich unter dem Zeichen der Jakobsmuschel weitergehen können Richtung Heimat. Weitere Jakobswege führen von Tour über Paris nach Aachen, von Aachen nach Trier, weiter über den Moselcamino von Trier nach Koblenz. Von Koblenz über den Westerwald nach Hause wäre es dann nur noch ein "Katzensprung".

 

Im dahinrasenden Auto auf der mautpflichtigen Autobahn zwischen Portiers und Paris beginne ich (mal wieder) zu träumen: Wenn ich von Santiago aus den Camino Norte (Küstenweg) bis zu den Pyrenäen genommen hätte, dann weiter auf der Via Turensis, dann ... , ich hätte tatsächlich, wie die Pilger im Mittelalter, auch zurückgehen können. Schätzungsweise Ende Oktober / Anfang November wäre ich zu Hause gewesen. Warum habe ich das nicht gemacht??? Eigentlich wäre doch erst dann diese Pilgerreise "rund" gewesen. Ich habe unterwegs tatsächlich darüber nachgedacht. Geh einfach weiter! Pfeif doch auf die Mühle von sogenannten Verpflichtungen! Alles, was zu Hause auf dich wartet, kann auch noch vier Monate länger warten. Alle, die auf dich warten, werden es auch noch länger ertragen können. Und wer damit Probleme hat, kann dich ja unterwegs besuchen kommen und ein Stück begleiten.

 

Jetzt ist es zu spät! Sebastian hat den Bleifuß und wir fressen die Kilometer mit teilweise 180 km/h. Spätestens nach einer Stunde Fahrt rutsche ich auf dem Beifahrersitz hin und her, weiß nicht, wie ich sitzen soll, mein Kreuz tut weh. Sitzen ist nicht mehr mein Ding, ich habe mich mehr ans Gehen gewöhnt. Eine halbe Stunde lang schlummere ich mal vor mich hin. Als ich die Augen wieder öffne, durchfahren wir gerade Paris. Für einen Moment erblicke ich den Eiffelturm. Anni gelingt es häufiger, längere Abschnitte schlafend zu überbrücken. Sira liegt hinten in ihrem Transportkorb und schläft wohl durchgehend, jedenfalls hören wir von ihr keinen Fieps. Braves Mädchen! Die Pausen an den Raststätten sind nicht lang, aber ausreichend, mit Schwerpunkt Toilettengang für Mensch und Hund.

 

Französich-belgische Grenze ... belgisch-deutsche Grenze ... Aachen ... Köln ... ohne größere Staus nähern wir uns der Heimat. Siegburg ... Hennef ... dann sind wir in Eitorf. Bei Anni zu Hause ist eine kleine Wiedersehensfeier angesetzt. Gleich sehen wir unsere Lieben wieder, wir freuen uns drauf. 200 Meter vor der Haustür lassen wir uns absetzen. Auf dem Siegdamm wollen wir uns schnell nochmal die autolahmen Knochen lockern und Sira einen Gassigang gönnen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Anni strahlt. Gleich hat sie ihren Ingo wieder. Ihre Schritte werden immer schneller.

 

Dann sehen wir sie alle vor dem kleinen Fachwerkhaus stehen oder sitzen - und sie sehen uns. Erste Reaktion: "Oh Gott, Ihr seid aber dünn geworden! Wie seht Ihr denn aus??!!" Na toll! Ich liebe meine Verwandtschaft!

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Dani (Donnerstag, 04 Juli 2013 18:21)

    Willkommen zurück, ihr Hobbits!!!