Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Das Wetter war ideal!

Von Palas de Rei bis Boente, 21 km

 Als ich aus dem Badezimmer komme, ist Anni mit Sira bereits vom Gassigang zurück. Da ist mein Töchterchen ja eisern. Vor Allem anderen geht sie mit dem Hund raus. Es wird dann gerade immer erst so langsam hell und ist noch ruhig auf dem Camino. Der Hund dankt es ihr. Noch nie in den vergangenen mehr als vier Monaten ist ihm in einer Unterkunft ein Malheur passiert. Überhaupt benimmt Sira sich in dieser Hinsicht vorbildlich. In Städten oder Dörfern hat sie uns noch nie in unangenehme Situationen gebracht. Sogar auf dem Weg selbst nicht. Wenn es eben geht, begibt sie sich für ihre Geschäfte nach links oder rechts möglichst ins hohe Gras. Da unterscheidet sie sich gar nicht mal viel von uns Menschen.

Jetzt steht Anni auf dem Balkon (jaaa, wir haben einen Balkon bei unserem Luxus-Doppelzimmer zu 20 Euro!) und kocht dort mit ihrem Outdoor-Kocher unser Frühstücksporridge. In den heißen Haferbrei rührt sie dann noch die bereits gestern Abend kleingeschnippelten Erdbeeren und fertig ist das erste Mahl des Tages. Es schmeckt (uns jedenfalls) gut und hält eine Weile vor. Dazu eine Tasse Kaffee - der Camino-Tag kann beginnen.

Bei dem Wetter habe ich heute etwas Bedenken. Die Wettervorhersage im Internet sagt für die Region mittelmäßige bis starke Regenfälle voraus, eine Wetterlage, die wir jetzt schon länger nicht mehr hatten. Im Moment sieht es noch gar nicht so schlecht aus, aber in der Entfernung ziehen dunkle Wolkenbänke heran.

  An dieser Stelle mal ein paar Bemerkungen zum Wetter, welches uns auf dem Jakobsweg begleitet hat. In vielen Kommentaren zu unseren Blogeinträgen sind wir wegen des doch so schlechten Wetters während unserer Tour oft bedauert worden. Nun muss ich aber sagen, dass man als Betrachter von außen die Wetterbedingungen anders wahrnimmt als der Betroffene selbst. Anni und ich finden, dass uns Petrus mit dem Wetter regelrecht verwöhnt hat. Wenn man im Winter loszieht, darf man wohl nicht mit hohen Plusgraden rechnen. Ausgesprochene Regentage, an denen wir anhaltend begossen worden sind, lassen sich an einer Hand (!) abzählen. Der eine und andere Schauer, selbst ein, zwei Stunden Regen am Tag, sollten nicht den Eindruck einer verregneten Pilgertour aufkommen lassen. Die Temperaturen waren für mich durchweg sehr angenehm, wenn man vielleicht von der eiskalten Eifel absieht, wo schon bei einer fünfminütigen Rast die Kälte unerbittlich in uns hochkroch. Ansonsten liebe ich die Wandertemperaturen um die 15°C und die gab es, verbunden mit vielen Sonnenstunden, im März und April reichlich. Dass man in Südfrankreich oder in Nordspanien im Mai nicht mit Nachttemperaturen um den Gefrierpunkt rechnet, ist die eine Sache. Die andere Sache aber ist,  dass es tagelang bei strahlendem Sonnenschein und klarer Luft herrliche Fernblicke gab. Außerdem hatte ich mich vor hohen Temperaturen in Spanien regelrecht gefürchtet. 30°C oder gar 40°C, wie in anderen Jahren in dieser Gegend nicht unüblich, wären für mich der blanke Horror gewesen. Ich komme zu dem Resultat: Das Wetter auf unserer langen Pilgerreise war ideal. Das meine ich vollkommen ernst und weiß Anni da auf meiner Seite. Wir wollten den Weg in drei Jahreszeiten durchlaufen und so war es auch.

Die Jahrezeit heute entwickelt sich so Richtung Herbst. Von den gestrigen 27°C am frühen Abend in Palas de Rei ist im Laufe des Tages nicht mehr viel zu merken. Der Himmel zieht sich immer mehr zu und es wird merklich kühler. Die Entscheidung, heute früh im T-Shirt loszulaufen, erweist sich als zu optimistisch. Eins bleibt allerdings so, wie es gestern war. Durch Galicien zu wandern, ist eine Freude. Heute ziehen wir nicht mehr über die Höhen, mit den weiten Ausblicken über die grünen Bergkuppen, die Wälder, Wiesen und bestellten Felder. Heute sind es wieder die kleinen Dörfer mit ihren kleinen, alten und dunklen Bruchsteinhäusern, den auf Stelzen stehenden Vorratshäuschen, den alten Wegkreuzen und Brunnen. Es sind die tiefliegenden Hohlwege, links und rechts begrenzt durch markige, mit Efeu und anderen Rankpflanzen behängten Eichen und Kastanien. Es sind die jetzt immer häufiger auftretenden Eukalyptuswälder, die wir durchqueren. Der Eukalyptusbaum kam einst über Südamerika aus Australien hierher. Das Holz wird zur Papiergewinnung und zur Möbelherstellung verwendet. Heutzutage stellen die Eukalyptuswälder allerdings auch ein ökologisches Problem dar. Sie verdrängen immer mehr die heimische Pflanzenwelt und ihre Wurzeln senken den Grundwasserspiegel.

Im kleinen Cuto machen wir an einer Bar eine Rast. Im Moment scheint nochmal die Sonne und lässt uns die Rast genießen. Eine Katze ist ausnahmsweise auch mal nicht in Sicht. Was die Rastmöglichkeiten bei Bars anbetrifft, haben wir dank des Wetters in den letzten Wochen auch großes Glück gehabt. Bei schlechtem Wetter, bei Regen oder Kälte, wären die Pausen anders verlaufen. Nach drinnen: con perro - no! Im Außenbereich: no problema! Wir haben uns kaum hingesetzt, da gesellt sich auch wieder Ben kurz zu uns. Lange bleibt er nicht, er will heute noch bis nach Arzúa, ein ordentliches Stück weiter als wir. Ich denke, ab jetzt werden wir ihn nicht mehr sehen. Schade eigentlich!

Eine allein pilgernde Frau aus Deutschland, zum erweiterten "Rudel" gehörig, spricht uns nach Bens Fortgehen an. Sie sieht nicht gut aus, schleppt sich seit einigen Tagen mit einer schweren Erkältung rum und muss heute auch noch nach Arzúa. "Ich will nur noch nach Hause!" ist ihr Wunsch und sie ist dabei den Tränen nahe. Schade, wenn das das Fazit für den Jakobsweg ist.

Seit einigen Tagen, ich glaube, seitdem wir in Galicien sind, "verfolgen" uns Kilometersteine. Alle 500 Meter sind sie aufgestellt und zeigen die jeweils verbleibende Kilometerzahl nach Santiago an. Dem munteren Pilger führen sie vor Augen, wie schnell die Kilometer vergehen. Den erschöpften Pilger bringen sie vielleicht zur Verzweiflung, weil der Pilgertag anscheinend nie enden will.

In Boente, unserem Tagesziel, zeigt einer dieser Steine noch 45 Kilometer an. In drei Tagen werden wir in Santiago sein. Irgendwie nicht zu fassen. So langsam glaube ich dran.

Die "Albergue-Bar Boente" nimmt uns tatsächlich auf - mit Hund. Während einige andere Pilger in einem Schlafsaal zusammengedrängt werden, bekommen wir einen anderen kleinen Schlafsaal ganz für uns allein. Wer sagt eigentlich, dass es schwer sei, mit einem Hund auf dem Camino zu pilgern?

Draußen beginnt es zu regnen. Lernen wir jetzt auch mal das typisch galicische Regenwetter kennen?

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