Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Autobahn in Sicht!

Von Viana nach Navarrete, 22 km

  Schweren Herzens verlassen wir unser Pilger-Traumappartement am Morgen. Papa ist nicht ganz auf der Höhe. Zitat: "Aua Bauch!" Hm. Das  finde ich aber nicht gut. Wird das heute "How to shit in the woods - Part 2"? Ich wünsche Papa, dass er verschont bleibt. Meine Gebete werden erhört. Der Durchfall bleibt ihm erspart und das komische Grummeln im Bauch wird scheinbar auch weniger, komisch, denn an Schonkost denkt Papa nicht im Traum. Morgens lecker Brot mit Butter und Camembert, in der Pause lecker Kaffee und Baguette mit Rührei, abends Baguette mit lecker Salami. Sooooo schlimm kann es also nicht sein.

  Veronika verabschiedet sich unweit "unserer" Haustür von uns. Da die heutige Etappe nicht kurz ist, entscheidet  sie aus Rücksicht auf ihren Fuß die erste Hälfte, bis Logroño, mit dem Bus zu fahren.

Papa, Sira und ich reihen uns wie jeden Morgen in den Pilgerstrom ein. Ich glaube, es ist egal, wann man losgeht, irgendwer ist immer kurz vor oder nach uns.

Das erste Teilstück überrascht mich fast. Wir verlassen Viana durch ein Gewirr aus schmuddeligen, vermüllten Hinterhöfen. Ich hatte nicht erwartet, dass so ein nettes Örtchen so viele und so vernachlässigte Gartengrundstücke hat, und das kurz nach der brandneu angelegten Neubausiedlung mit Golferrasen, in der sich unsere Unterkunft befand.

Den weiteren Weg nach Logroño würde ich auch nicht unbedingt als eines der Sahneschnittchen des Jakobsweges bezeichnen. Wir halten uns quasi durchgehend in der Nähe der Autobahn oder Schnellstraßen auf, gehen daran entlang, darunter her oder darüber. Das Dröhnen der vorbeirauschenden Autos begleitet uns stets.

  Plötzlich entdecken wir etwas gleichzeitig Schönes und Überraschendes wie auch Mysteriöses und Beängstigendes. Am Wegesrand haben Pilger Steine zu Buchstaben gelegt. Erst können wir das Ganze nicht entziffern. Als wir weitergehen wollen, schaue ich genauer hin. Da liegt ein "S". Gleich darauf folgt ein "I". Jetzt werde ich doch langsam neugierig. Der nächste Buchstabe ist ein "R" und als Letztes folgt ein "A". "Papa, guck mal, hier hat einer "Sira" geschrieben." Als ich dann noch interessierter hinsehe, finde ich neben dem Wort eine aus Steinen gelegte Pfote. Kann das ein Zufall sein? Gibt es hier mehrere Siras unterwegs? Ist das auch ein Name für Menschen? Ich dachte, ich hätte mir diesen Namen selbst ausgedacht... Aber wenn es hier um einen Menschen geht, was soll dann der Pfotenabdruck daneben? Und wenn der Gruß wirklich für uns bestimmt war, wer hat ihn uns dann hinterlassen? Alle, die in  Sira vernarrt sind, müssten eigentlich irgendwo hinter uns laufen. Es ist schon wirklich merkwürdig...

Sira findet das wohl auch. Sie wird vom Übermut gepackt, springt an mir hoch, beißt mich, schleudert Stöcke durch die Gegend... Naja, überlastet ist sie mit unseren täglichen Wandertouren also nicht!

Bei der letzten Häuseransammlung vor Logroño wird mir schon im Voraus ganz anders; drei Hunde an der Kette, die sich schon ganz aufgeregt und wild bellend im Kreis drehen. Außerdem stehen hier mehrere Gruppen von Pilgern, die sich hier bei Maria Felisa einen Stempel und Getränke besorgen wollen, so wie man es auch schon früher bei ihrer verstorbenen Mutter tun konnte.

Sira passiert die Menschen- und Hundemeute, ohne die Beller eines Blickes zu würdigen. Die anderen Pilger sind überrascht und tief beeindruckt. Ich auch. Anmerken lasse ich mir das natürlich nicht!

  Auch die nächste Hürde mit einem Labrador an der Kette rechts, einem Husky an der Kette links, einem Yorkshire Terrier an der Kette quasi unmittelbar rechts, mehr oder weniger auf der Straße, der nächste Yorki frei laufend und distanzlos, dann gleich wieder links ein Schäferhund hinterm Zaun, ein weiterer im Auto und sehr aggressiv im Verhalten und noch ein Pointer im Zwinger rechts. All diese Hunde wild bellend und sich in ihre Ketten oder Zwingerwände werfend. Das ganze Spiel findet auf einem Straßenstück von ca. 50 m statt.

Sira passiert das Theater todesmutig und mit hoch erhobenem Haupt. Yes! Ich bin stolz auf dich, Maus!

Am Ortseingang von Logroño sehen wir einen Storch, der sein Nest auf einen Hochpfeiler gebaut hat. Er/sie versorgt das Jungtier, das bereits eine beachtliche Größe vorzuweisen hat. Das sind nicht die ersten Störche, die wir heute sehen, und auch nicht die letzten. Oha, wenn das mal kein Omen ist...

Wir laufen zur Santiago-Kirche, an der sich über dem Hauptportal die berühmte und beachtliche Steinstatue von Jakobus als dem Maurentöter befindet. Ich mache es mir davor mit Sira gemütlich und warte auf Veronika, während Papa die Kirche besichtigt. Mein Blick fällt auf zwei Plastiktüten und ein paar Blätter, die scheinbar in einem Luftstrudel gefangen sind. Immer weiter fliegen sie vor der Kirchentür im Kreis und werden dabei mal höher und mal tiefer geschleudert. Das ist schon irgendwie schön. Und ein bisschen unwirklich.

Als wir bald darauf wieder alle vereint sind, suchen wir uns ein Café. Sira darf sogar mit hinein, wenn sie ganz lieb und ruhig in der allervordersten Ecke liegt. Das kriegt sie natürlich meisterhaft hin. Was tut man nicht alles für ein warmes trockenes Plätzchen beim Rudel?!?

  Nachdem wir zu einem Spottpreis gegessen und getrunken haben, packen wir die zweite Hälfte des Tages an. Als die lauten und getriebigen Vororte Logroños endlich hinter uns liegen, erreichen wir bald den riesigen Stausee Pantano de la Grajera, an dem eine Menge Angler ihrem Hobby nachgehen, um hoffentlich einen der 50 cm-Oschis, die wir von einer Brücke aus sehen konnten, aus dem Wasser zu fischen. An einer Bank mit herrlicher Aussicht rasten wir ein weiteres Mal. In dem hohen Schilfgras des  Sees  tummeln sich einige große schwarzweiße Vögel. Sind das jetzt auch alles Störche? Aber die leben doch nicht am Wasser, oder? Wahrscheinlich sind es einfach nur Reiher. Wissen tun wird das nicht... Aber was soll's?

Zum Abschluss des Tages dürfen wir noch eine Weile unter, über und an den Autobahnen und Hauptstraßen entlanglaufen.

Bald sehen wir Navarrete vor uns, unser Ziel des heutigen Tages. Abends gibt es lecker Baguette mit Käse, Tomate und Gurke, am letzten Abend mit Veronika. Hach, du wirst uns fehlen!

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Kommentare: 2
  • #1

    Mama Ingrid (Mittwoch, 22 Mai 2013 22:55)

    "SIRA"! Ist ja supercool! Ein Zufall ist das bestimmt nicht. Werden wohl doch Sira-Liebhaber vor euch sein. Na ja, vielleicht wars auch ein Zeichen von Jakobus für die geduldigste, mutigste und vertrauensvollste Pilgerin.
    Nene, Anni, nix Omen! So viele Strörche, wie du gesehen hast, so viele Kinder kannst du gar nicht kriegen. Aber frag mal Sancho und Pansa, warum sich diese "gefiederten Fluginsekten" immer in Wassernähe aufhalten ;-)
    Baguettes? Hat Veronika etwa zum Abschied nichts gekocht?

  • #2

    Dani (Donnerstag, 23 Mai 2013 13:25)

    Sira eilt wohl ihr Ruf voraus. Ein Riesen Lob an die und ihr Frauchen. Ihr Gabriel gelernt. Vorbildlich!!!