Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Pilgernächte...

Von La Romieu nach Condom, 16 km

Um 2:30 Uhr ist meine Nacht vorerst vorbei. Irgendwie habe ich es geschafft, meinen Schlafsack so zu verdrehen, dass der Reißverschluss an den Füßen auf meiner rechten und an meinen Schultern auf der linken Seite ist. Außerdem bin ich wohl so tief hineingerutscht, dass ich meine Füße komisch abschnüre. Ich versuche, das Ganze durch Hin- und Herrutschen zu korrigieren, komme aber nicht so recht weiter. Ich quäle mich aus dem warmen Bett und muss mein gesamtes Bett neu richten. Danach kann ich endlich weiterschlafen.

Die wuselige Achtergruppe in unserem Haus konnte mich gestern Abend nicht vom Schlafen abhalten. Ohropax for president! Heute Morgen ist sie allerdings schon wieder so schnatterig beschäftigt, dass sie mich ganz hektisch macht.

Nach dem gestrigen Tag schmeiße ich mich optimistisch in Sonnencreme und kurze Hose, werde aber ziemlich schnell eines Besseren belehrt: Der Boden ist nass, es hat geregnet. Kalt ist es auch. Egal, so lang man läuft, ist es auszuhalten.

In Le Romieu, der Stadt der Katzen, treffen wir verdammt wenig lebende Exemplare an, dafür sitzen allerdings mehrere steinerne Ausführungen in den Fenstern am Marktplatz. Außerdem stehen mehrere Plastikschalen mit Futter auf dem Boden, überall im Ort, einfach so, als läge jedem das Wohl der Samtpfoten am Herzen.

Papa und Nanni schauen sich das Kloster an, Sira muss wie immer draußen bleiben. Ich also auch. Johans Interesse fürs Kloster hält sich auch in Grenzen, also warten wir am Marktplatz. In unserer Nähe sitzt ein Japaner. Wir kommen ins Gespräch und er erzählt, er trage 17 Kilo auf dem Rücken und laufe 30-40 km am Tag, von Le Puy bis Santiago. Er schläft jede Nacht im Zelt. Er grüßt uns noch grinsend und zieht dann strammen Schrittes fort. Mannmann, wenn der zierliche Kerl das wirklich so durchzieht bis zum Ende, alle Achtung!

Nach einer Weile entscheide ich mich doch, meine Niederlage gegen den Wettergott einzusehen; Ich tausche die Zipp-Hose gegen meine "Winterhose". Wenigstens für heute. Als die zwei ihre Besichtigung beendet haben, ziehen wir gemütlichen Schrittes los Richtung Condom. Nach einem Stück festem Asphalttritt, gelangen wir bald wieder auf einen Feldweg, der uns bergab schlingern lässt. Der Regen der letzten Nacht hat den Pfad wieder zur Schlammpiste gemacht. So langsam vermiest einem das wirklich die unbefestigten Wege. Da freut man sich fast auf Teer, da weiß man, was man hat...

Bald passieren wir eine Hauseinfahrt, an der nur ein kleines Schild mit der Aufschrift "donativo" steht. Donativo heißt Spenden, Spenden ist gut, also hin da. Wir wittern an dem Haus eine Honor-Box. Und wir behalten Recht. Ein Tisch mit Stühlen, Kaffee, Tee, Keksen, Stempelbox und Gästebuch empfängt uns, Jean-Pierre, der Hausherr, unterbricht sofort seine Gartenarbeit, gesellt sich zu uns und heißt uns in sehr gutem Deutsch herzlich Willkommen. Er war selbst Pilger und hat sich danach ein Haus am Camino gekauft, um Jakobspilger zu empfangen. Hier kann man auch schlafen, selbstverständlich auch gegen Spende. Schade, wir haben bereits eine Unterkunft! Also weiter. Bald verabschieden wir uns. Als wir den Weg durch das Feld hinablaufen, steht er vor seinem Haus und sieht uns nach. Als wir ihn sehen, winkt er zum Abschied. Was geht in seinem Kopf vor? Würde er gern mitgehen, um den Camino noch einmal zu erleben? Oder wünscht er uns nur im Geiste Glück für die weitere Reise? Ich weiß es nicht.


Hinter Baradieu gelangen wir an eine Art See. Hier ist wohl Einiges los. Ein mehrtöniges Froschorchester empfängt uns. Sira ist völlig irritiert von diesem fremden Geräusch. Sie will zum Wasser und der Sache auf den Grund gehen. Als ein paar aufgescheuchte Hüpfer vor ihr ins Wasser hüpfen, ist ihr das Ganze nicht mehr geheuer und sie weicht wieder auf den trockenen Trampelpfad aus.

In Fromagere ist es noch einmal Zeit für eine Pause. Wir halten nach einem geeigneten Plätzchen Ausschau und finden bald einen Platz voller dicker Baumscheiben. Hier sitzt bereits das illustre Trüppchen aus unserer gestrigen Unterkunft. Schon gestern haben wir uns gefragt, wie die wohl als Fußgänger so viel Proviant mit sich herumschleppen können, dass die so fürstlich speisen können. Jetzt bin ich allerdings völlig ratlos. Sogar Plastikbecher und mehrere Flaschen Wein kommen da zum Vorschein! Die Grundstimmung der Gruppe ist leicht duselig. Also, ich könnte so nicht mehr wandern...

Bald erreichen wir Condom und auch bald unsere Unterkunft. Hier teilen wir uns einen Schlafsaal mit 18 weiteren Personen. Und unser Bett liegt direkt an der Klotür. Um andere Leute nicht beim Toilettengang zu behindern, können wir unser Doppelstockbett mit zwei herzensguten, aber leicht überkandidelten Amerikanerinnen tauschen. Sie sind "absolutely" verliebt in Sira und ich habe das Gefühl, sie würden sie gerne in maßgeschneiderte Designerknickerbocker vom Hundesalon und in einen Tirolerhut stecken. Sie erfüllen das typische Bild der Menschen mit Hund als Babyersatz. Hätschel hier, knutsch da... Und dann die ewige Angst, dass "mailing" von "mommy" nicht genug zu essen bekommt. Aber so ist mir das immer noch lieber, als wenn man uns anfeindet.

Und jetzt lieg ich hier, am Rande eines kalten Schlafsaals, mit Skiunterhose unter zwei Decken. Unter mir schnarcht es, links hustet es, schräg gegenüber pupst es und einer stöhnt und redet irgendwo in regelmäßigen Abständen im Schlaf.

So schläft also der echte Pilger...

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Kommentare: 1
  • #1

    Mama Ingrid (Freitag, 03 Mai 2013 22:33)

    Hihi, diese "Mondscheinsonate im Pilgersaal" kann ich mir lebhaft vorstellen...