Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Wieder vereint!

Von Saint-Antoine nach Lectoure, 26 km

Ab sieben Uhr herrscht heute reges Treiben in unserem Zimmer. Johan und Nanni, die im Zelt geschlafen haben, kommen heute Morgen zum Frühstück in unser großzügiges, altmodisches und irgendwie nach Katzenpipi riechendes Appartement. So schmeckt das Frühstück gleich viel besser. Außerdem verströmt die Gemeinschaftstoilette im Flur einen eigenartigen Geruch nach Zahnarztpraxis. Es ist doch immer wieder spannend, in was für unterschiedlichen Unterkünften man schläft.

Pünktlich um acht ziehen wir, frisch vereint mit Hanni & Nanni, in ein neues Abenteuer. Bei dem gleichen Nieselregen wie bei unserem ersten gemeinsamen Morgen vor fünf Wochen. Das ist ja nicht unbedingt motivierend! Und nach der gestrigen Mammutetappe komme ich nur schwer in Gang.

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Meine erste Amtshandlung ist eine Demonstration gegen Siras Pilgerjagd. Das klappt sogar auf Kommando. Und Sira sprintet los, hüpft hoch und bellt auf komischer Frequenz. Die Neuankömmlinge finden es amüsant.

Nach der ersten Steigung können wir auch gleich einen Pilgerstopp samt Honor-Box präsentieren. Das begeistert! Natürlich halten wir, obwohl es für eine Pause eigentlich viel zu früh ist. Auf Bänken unterm Wellblechdach gibts gekochte Eier von den Hofhühnern und einen Kaffee, der Tote auferstehen lässt. Die vier Plastikbecher sind nicht so wirklich sauber, aber Genügsamkeit gehört eben auch zum Pilgerdasein. Nach dem kurzen Boxenstopp führt der weitere Weg über Feldwege, die den gestrigen Nachmittag nicht unbeschadet überstanden haben: Sie sind matschig! Jeder Schritt strengt an, weil wir ständig abrutschen beim bergauf oder bergab laufen. Nach einiger Zeit auf Wiesenpfaden sind Hosen und Schuhe nicht nur schlammig, sondern auch richtig nass. Nach einem matschigen Anstieg bis Miradoux haben wir uns eine Pause redlich verdient. Wir suchen angestrengt nach einem trockenen, idealerweise auch warmen Plätzchen. Dani, wir haben euch hier frühlingswettertechnisch gar nicht sooooo viel voraus, glaube ich. Ich finde es heute wieder ziemlich kühl. Wir sind froh, als wir wenigstens in den nicht abgeschlossenen Vorraum des Salle des Fétes, des Dorfhauses, schlüpfen können. Wir setzen uns auf den Boden, Sira bekommt ihre Decke ausgebreitet und Johan und Nanni kochen Tee auf ihrem Spirituskocher. Hach, das kann man fast gemütlich nennen! Als wir nach über einer Stunde endlich wieder losziehen, ist Sira trotzdem so durchgefroren, dass sie wieder Muskelkrämpfe im Oberschenkel hat. Mann, das ist ja wie im Februar in der Eifel!

Wir entscheiden, die parallel zur Straße verlaufenden Pfade zu meiden und laufen direkt auf dem wenig befahrenen Asphalt. Wo es sich nicht vermeiden lässt, rutschen und schlittern wir über Schlamm- und Glitschpisten.

Bald erreichen wir Castet-Arrouy, ein niedliches, blumiges Dörfchen. Scheinbar haben alle Pilger sich dieses Örtchen als Pausenplatz ausgesucht. Hier wuseln weitaus mehr Rucksackträger als Einwohner herum. Sira wird gleich von zwei Hunden begrüßt, die sie so misstrauisch beäugt, dass sie bald das Weite suchen. Wir treffen auch wieder auf Anne, die Sira die Reste ihrer Pastete mit Brot überlässt. Nach ein paar Sätzen laufen wir weiter, immer an der Landstraße entlang. Autofahrer grinsen und winken bei unserem Anblick.

Als wir von der Straße in einen Feldweg abzweigen, muss ich innerlich lachen. Scheinbar gibt's heute nur zwei Möglichkeiten: Matsch oder Landstraße. Jetzt ist mal wieder Matsch angesagt. Bis kurz vorm Ziel waten und balancieren wir durch die Landschaft, immer auf der Suche nach festem Tritt.

Ziemlich geschafft und schmutzig erreichen wir unsere Unterkunft in Tarissan. Johan und Nanni bekommen ihren Zeltplatz gezeigt und wir die Kette, an der wir Sira im Garten festmachen können. "Neenee. Ist nicht. Hund im Zimmer hatten wir gesagt." "Neenee, im Zimmer geht aber nicht, ist alles neu und schön. Und der Holzboden." "Neenee, aber der Hund ist lieb und sauber und schläft bei uns."

... Ratlose Gesichter...

"Nagut, wir haben da auch noch ein unrenoviertes Zimmer. Da kann aber nicht geheizt werden. Und der Hund soll nicht auf den Teppich."

Das Zimmer ist zu achtzig Prozent mit Teppich ausgelegt. Ich nicke. "Essen?" "Nein, danke, brauchen wir nicht, nur schlafen." Leichte Unzufriedenheit auf dem Gesicht der Hausherrin. Tschuldigung, leider keine tägliche-Halbpension-Luxuspilger. Als Johan und Nanni sich in der Gemeinschaftsküche im renovierten Teil der Herberge einen Tee kochen wollen, schickt man sie weg. Dafür haben sie nicht bezahlt. Später gesellen sie sich zu uns. Wir kochen in unserer unrenovierten Küche und essen, um gegen die Kälte anzukommen, in unserem Zimmer in Decken gehüllt. Irgendwie fühlen wir uns komisch. Als ginge es hier auch bloß ums Geld. Leider fällt uns das nicht zum ersten Mal auf. Naja, ich liege unter der warmen Decke in einem Bett, das genügt mir vorerst. Und Johan und Papa schauen Champions League beim Herbergsvater. Immerhin!

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Kommentare: 2
  • #1

    Mama Ingrid (Donnerstag, 02 Mai 2013 00:17)

    Na ja, für Siras Füße sind diese Schlammwege sicher die reinste Fango-Packung und machen ihr bestimmt mehr Spaß als Asphalt-Trampeln

  • #2

    Sebastian (Donnerstag, 09 Mai 2013 20:07)

    Unter der Decke liegen kostet extra!