Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Man trifft sich, man verliert sich

Von Cahors nach Lascabanes, 22 km

Gefrühstückt wird in der Früh in der "Sommerküche" unserer Gite. Was ist eine "Sommerküche"? Nun, in der "Sommerküche" kocht der Pilger seine Mahlzeiten praktisch Open Air, vor Regen eigentlich nur geschützt durch ein Dach, das gleichzeitig der Boden der darüber sich befindenden Garage ist. Diese Garage ist nur keine Garage, sondern der "Empfangsraum" für die im Laufe des Nachmittags einlaufenden Gäste. Hier bekommt man zur Begrüßung einen Saft serviert, zieht seine dampfenden Wanderstiefel aus, nimmt sich notwendige Utensilien aus dem Rucksack, die man mit aufs Zimmer nehmen möchte, und verstaut diesen dann in einem Schließfach. Von der Garage geht es über eine Wendeltreppe hinunter zur "Sommerküche" und zum Garten. An warmen und trockenen Tagen ist diese Küche wohl eine nette Angelegenheit, bei Regen, Wind und Kälte eher nicht so.

Heute morgen ist es hier aber trotz der frühen Stunde recht angenehm und der heiße Haferbrei mit untergerührten Bananenstückchen schmeckt richtig gut, der nicht minder heiße Kaffee sowieso. Der Pilgertag kann beginnen!

Er beginnt mal wieder mit einem Fototermin. Viele Pilger wollen zum gleichen Zeitpunkt los und in der Garage herrscht großes Gedränge. Aber die Zeit, um Sira zu fotografieren, die sie alle gerade zum ersten Mal mit ihrem Rucksack sehen, muss noch sein. Da dabei auch noch immer ein paar Streicheleinheiten abfallen, lässt das Model es sich gerne gefallen.

Für Anni und mich hält die Garage noch eine Überraschung bereit. Auf dem Boden liegt eine Personenwaage. Eigentlich wohl dafür gedacht, seinen Rucksack zu wiegen (warum auch immer), aber wir stellen uns selbst drauf. Danach konstatieren wir einmütig, dass die Waage defekt sein muss. Soooviel Gewicht können wir bis jetzt nicht auf dem Jakobsweg liegengelassen haben. Oder doch??

Über die Pont Valentre, dieselbe Brücke über die Lot, über die wir gestern nach Cahors hineinmarschiert sind, verlassen wir die Stadt auch wieder. Dann geht es aufwärts! So richtig! Nur knappe zehn Minuten lang, aber die haben es in sich. Hohe Steinstufen lassen uns nach oben keuchen und bringen den Kreislauf in Schwung. Gut, dass ich mir unten noch die Jacke ausgezogen habe, sonst würde ich jetzt im eigenen Saft schmoren.

Oben angekommen, wird es mir aber bald schon wieder kühler. Der Himmel ist das erste Mal nach einigen Tagen bedeckt und ein empfindlicher Wind weht. Aber ich bin auf Betriebstemperatur, die Jacke bleibt, vorläufig jedenfalls noch, aus.

Die Jakobswegmarkierung führt uns nun sicher über die größtenteils landwirtschaftlich genutzte Kalkhochfläche der Quercy Blanc. Seit Le Puy ist es aber nicht mehr die Muschel, die uns leitet, sondern der an Bäume oder Felsen aufgemalte rot-weiße Balken aller französischen Fernwanderwege. Als GR 65 wird er uns bis St.-Jean-Pied-de-Port am Fuße der Pyrenäen begleiten.

Manchmal habe ich mit diesem Balken aber auch meine Probleme. Ich werde ab und zu das Gefühl nicht los, dass neu hinzugekommene Gite-Betreiber versuchen , auf die Streckenführung Einfluss zu nehmen. Gites abseits des Weges bekommen weniger Gäste, deshalb will man AM Weg liegen. Und dann muss die Streckenführung mal eben geändert werden, um dies zu erreichen. So auch heute. Die tatsächliche Strecke passt anfangs für einige Kilometer vorne und hinten nicht mit meiner Karte und der Streckenbeschreibung zusammen, schlägt sinnlose Haken - führt dabei aber an zwei Gites in benachbarten kleinen Dörfern vorbei. Nach zwei Stunden erst sind wir in dem zweiten dieser Dörfer, wo ich schon eine Stunde früher sein wollte. Aber was soll's, heute haben wir Zeit.

Zeit auch zum Rasten! Währenddessen überholen uns andere Pilger. Kaum noch bekannte Gesichter sind dabei. Aber so ist es halt. Man trifft sich irgendwann und irgendwo, wandert ein Stück zusammen oder auch nicht, übernachtet in derselben Unterkunft oder auch nicht. Nie verabschiedet man sich so richtig, immer nur ein "Bis bald!" oder "Wir sehen uns bestimmt noch!" - und dann verliert man sich doch aus den Augen. Manchmal eigentlich schade! Doch jeder hat seinen eigenen Weg, seinen eigenen Rhythmus. So mancher freut sich über eine neu gefundene Gemeinschaft, die meisten wollen ihren Weg alleine gehen.

Von Les Mathieux geht es wieder bergab, mit der Folge, dass es nach Labastide-Marnhac erneut bergauf geht. Danach ist die Landschaft wieder rauer, kein Ackerbau mehr, sondern hartes, trockenes Weidegras mit verdörrten Büschen oder ebenfalls etwas traurig aussehenden Eichenbäumchen. Ich habe den Eindruck, dass hier kein brennendes Streichholz hinfallen darf, dann brennt alles wie Zunder. So lange ist es seit dem letzten Regen nun auch nicht her, aber die Oberfläche (Kalkstein) hält das Wasser eben  nicht lange. Der Boden, gerade auch auf dem Weg, ist knochenhart und gerissen. Ab morgen kann sich das ändern, es ist Regen vohergesagt.

Und er kündigt sich schon an. Eine Stunde vor Zieleinlauf in Lascabanes wird es dunkler und es beginnt leicht zu sprühen. Poncho oder Regenschirm lohnen sich nicht, als wir aber in unserer Unterkunft ankommen, sind die Anoraks und Sira gut nass.

Zunächst teilen wir uns das Zimmer mit zwei Frauen, wohl Mutter und Tochter. Als sie Sira sehen, sind sie not amused. Sie beschweren sich bei der Chefin des Hauses: Der Hund stinkt! Als die Chefin uns nicht rausschmeißt, verlangen sie ein anderes Zimmer und bekommen auch eins. Na prima, passt doch! Wenn Sira mal nicht im Regen nass wird, stellen wir sie einfach unter einen Wasserschlauch, damit sie ordentlich stinkt. Von wegen Zimmeralleinbenutzung und so ...

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Kommentare: 3
  • #1

    Sebastian (Freitag, 26 April 2013 23:09)

    Das war nicht der Hund, das waren deine Stinkefüße! Immer alles auf die arme Sira schieben...

  • #2

    Mama Ingrid (Sonntag, 28 April 2013 00:06)

    Hihi, gedacht hab ich mir das auch schon, Basti. Was meinst du, wie die Ladies geschaut hätten, wenn Sira ausquartiert worden, der Gestank aber geblieben wäre?
    Das scheinen sowieso 2 herzensgute, voll erleuchtete Pilgerinnen gewesen zu sein,,,

  • #3

    Dani (Montag, 29 April 2013 09:46)

    Bisher habt ihr ja mit Sira echt Glück gehabt. Ich halte weiter die Daumen.