Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Ein Hauch von Spanien

Von Limogne-en-Quercy nach Lalbenque, 25 km

So früh wie selten, schon um 7.30 Uhr, verlassen wir die Gite in Limogne-en-Quercy und ziehen in den neuen Tag, in einen neuen Pilgeralltag. Viele dieser Tage haben wir jetzt schon durchlebt, vieles ist immer wieder anders, vieles immer wieder gleich. Wie sieht so ein Pilgeralltag aus, wenigstens unserer?

Annis Handywecker meldet sich morgens früh zu unterschiedlichen Zeiten, je nachdem wie wir es vereinbart haben. Die Weckzeit liegt zwischen 6 Uhr und 7.30 Uhr, abhängig von der anstehenden Kilometerzahl, den zu erwartenden Temperaturen, eventuell beabsichtigtem Besichtigungsprogramm unterwegs oder am Etappenziel. Anni steht zuerst auf und geht ins Bad, ich habe noch Galgenfrist. Sobald Annis Morgentoilette beendet ist, weckt mich Sira (obwohl ich natürlich schon wach bin). Während ich mich zur Körperpflege trolle, packt Anni ihren Rucksack. Wenn ich dann das Gleiche tue, geht Anni mit Sira in die nächste gassigerechte Grünzone. Dann ist Frühstück angesagt, entweder serviert und Marke "süß" (Marmelade, Marmelade, Marmelade) oder selbstangerührt und Marke "pampig" (Haferflocken mit Ovomaltine verfeinert). Zwischen 7.30 Uhr und 9 Uhr sind wir "on the road". Gerastet wird zwei bis drei Mal, je nach Tagespensum. Je nachdem wo es möglich und wie es notwendig ist, müssen wir Lebensmittel einkaufen. In den größeren Städten gibt es dafür die großen (und natürlich auch viel preiswerteren) Supermärkte. In den kleineren Orten finden wir mit Glück eine Epiceri (mit Preisen, die Anni verzweifeln lassen) oder sogar nur eine Boulangerie für das liebgewonnene Baguette. "Zieleinlauf" ist in der Regel zwischen 15 und 17 Uhr. In der Unterkunft wird zuerst Sira versorgt, anschließend richten wir uns im Zimmer ein. Duschen, relaxen, ein Käffchen trinken - der Wohlfühldreiklang nach einem anstrengenden Wandertag. Jetzt Abendessen, selbst angerührt, von der Unterkunft als Halbpension angeboten (und selten angenommen) oder ab und zu (zu besonderen Anlässen) mal essen gehen. Dann die wichtige "Büroarbeit": Route des nächsten Tages studieren, Unterkünfte reservieren, Geldausgaben und "geschossene" Fotos notieren - und immer wieder bloggen, bloggen, bloggen, ... Zwischen 23 Uhr und 0.30 Uhr wird das Licht ausgemacht. So geht's!

Trotz der frühen Uhrzeit sind in Limogne-en-Quercy schon einige Menschen auf der Straße. Ja, auch das hat sich mittlerweile etwas geändert. Auch in kleineren Orten sehen wir Menschen. Liegt es am Frühling, an der Sonne, dass es sie auch mal auf die Straße treibt? An der Kreuzung bei der Mairie sitzt ein Trupp Arbeiter um einen Tisch herum auf dem Bürgersteig vor einem Cafe, trinkt einen Kaffee und unterhält sich. Ist das hier eine Dienstbesprechung vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn? Das wäre doch mal eine Idee: Jeden Morgen Dienstbeginn mit einer Einsatzplanung bei Kaffee und Mettbrötchen im Straßencafe (oder Biergarten) zur Verbesserung des Betriebsklimas. - Wir grüßen und die Männer grüßen zurück.

Hinter Limogne-en-Quercy erstreckt sich die Causse du Limogne, wieder eine Kalkhochfläche wie am gestrigen Tag. Zum Teil steppenartige Graslandschaft, weite Flächen mit niederem Eichenwald, nur selten mal landwirtschaftlicher Anbau. Etwas abseits des Weges eine Besonderheit, ein Dolmen. Auf den Causses sind sie sehr verbreitet und zeugen von einer sehr frühen Besiedlung durch die sogenannten Megalithkulturen. Die Dolmen dienten wahrscheinlich als Grabkammern und Altarsteine. Ich ziehe sie als eine mögliche Schlafkammer in Erwägung, was Anni aber nicht begeistert.

In Varaire treffen wir - nicht zum ersten Mal - auf einen recht großen, ummauerten Teich, voller Algen und mit einigen Enten, direkt dabei ein alter Waschplatz. Wäre alles sauber und gepflegt, das Wasser von guter Qualität, könnte dies ein wunderbarer Dorf-Swimmingpool sein. Aber was ist es? Ein Löschteich? Ein Becken zur Wasservorratshaltung in dieser trockenen Gegend? Wie auch immer.

Wir rasten nebendran auf einer Bank auf der großen Dorfwiese und genießen die Sonne, die langsam, aber gewaltig immer mehr an Kraft gewinnt. Als wir gerade die schöne Ruhe genießen, kommt ein Mann mit laufendem Rasenmäher des Weges. Seine Aufgabe oder sein Hobby ist es offensichtlich, die örtlichen Grünanlagen zu mähen. Gerade als er mit unserer Rastwiese beginnen will, wird er von einem vorbeikommenden Autofahrer in ein Gespräch verwickelt und wir haben noch etwas länger unsere Ruhe.

Die nächsten Stunden werden körperlich und mental immer anstrengender. Die Landschaft links und rechts des Weges ändert sich den ganzen Tag wenig. Der Weg verläuft hauptsächlich zwischen teilweise eingestürzten Kalksteinmauern, dahinter erstrecken sich über lange Abschnitte niedere Eichenwäldchen, deren Bäume efeubehangen, bemoost oder flechtenbesetzt sind. Manchmal werden Graslandschaften sichtbar, seltener Ackerflächen. Der Weg ist knochentrocken, schottrig, staubig. Eidechsen, die zuvor noch, sich sonnend auf dem Weg gelegen haben, flitzen zur Seite weg und flüchten sich in die Mauerritzen. Es wird immer wärmer. Wir brauchen mehr Wasser als sonst, vor allem Sira braucht mehr. Wir erleben einen Hauch von Spanien.

Um zu unserer Unterkunft zu kommen, müssen wir den Jakobsweg verlassen und fünf Kilometer lang eine Straße entlangdatschen, ohne jeden Schatten. Man soll gar nicht glauben, wie lang fünf Kilometer sein können. 

In Lalbenque haben wir es geschafft. Wie vor ein paar Tagen bei der telefonischen Reservierung vereinbart, rufe ich unseren Gastgeber an, der uns nach unserem Schnelleinkauf beim örtlichen Supermarkt mit seinem Wagen abholt und zur Unterkunft bringt. Zu unserer Freude entpuppt sich diese zu einer zur Ferienwohnung umgebauten Steinhütte im Hirtenhütten-Style. Mal was ganz Anderes!

Zum Relaxen setzen wir uns noch nach draußen in die Sonne, Sira zu unseren Füßen auf ihrer Decke. Erst zum Abendessen gehen wir rein, vor der Hütte wird es jetzt zu kühl. Sira lehnt es zu unserem Erstaunen ab, ihre Decke zu nutzen. Anni entdeckt eine stattliche Anzahl an Ameisen auf Siras "Bettzeug" und hat Mühe, sie dort alle runterzuklauben. Worauf man nicht alles achten muss!

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Kommentare: 3
  • #1

    Nanni (Donnerstag, 25 April 2013 14:25)

    Bienvenidos al calor!

    Man sollte gar nicht meinen, wie lang sich 4(!) km ziehen können. ;)

  • #2

    Dani (Donnerstag, 25 April 2013 23:53)

    Ihr wolltet den Sommer, jetzt habt ihr ihn!

  • #3

    Mama Ingrid (Freitag, 26 April 2013 22:32)

    Kam dieses Ovomaltine-Zeugs nicht damals in den Nachkriegsjahren verstärkt zum Einsatz? Was genau IST das eigentlich? Ich habs im Hauswirtschaftunterricht jedenfalls noch nie verwendet, hab aber so dunkle Bilder im Hinterkopf...
    Recht haste, Mädel, dein Opa hat auch immer gesagt: "Zuerst das Pferd, dann der Cowboy!" (Hab ich das schonmal geschrieben, oder wollte ich nur? Egal, stimmt auf jeden Fall, und Sira macht es glücklich.)
    Uiuiui, eine Grabkammer würde ich auch nicht als mögliche Übernachtungsstätte in Erwägung ziehen, Anni. Uaaah!
    Ja, Spanien naht. Los hormigas, los hormigas! Aber in Helpenstell hatten wir die ja auch, wenn man süßen Saft stehen ließ. Hihi, hatte Sira wohl keine Lust auf eine kleine Bauchmassage. (Ausschütteln, einsprühen. Das Insektenzeug ist für Hunde unbedenklich, wenn es etwas gelüftet hat)
    Küssi