Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Frühstück-Franzose

Von Bellevue-la-Montagne nach Saint-Paulien, 13 km

Und jetzt? Was machen wir jetzt? Es ist gerade mal 12 Uhr und wir sind schon in unserem kargen Zimmer im Centre d'herbergement in St. Paulien. Zwar war für heute eine kurze Etappe angesetzt, dass sie aber nun sooo kurz werden würde, damit haben wir nicht gerechnet. In meinem Wanderführer gibt es für die Strecke Bellevue-la-Montagne bis St.-Paulien keine Kilometerangabe und bei Streckenskizzen ist eine Kilometerschätzung eigentlich immer Glücksache. Geschätzt hatte ich für heute 16 Kilometer, geworden sind es 13. Na gut!

Beim allmorgendlichen Blick hinaus aus unserem Zimmerfenster sehen wir - eine schmutzig-graue Hauswand. Das bisschen Himmel, das zu erkennen ist, lässt keine verlässliche Wetterprognose für heute zu. Also geht es erstmal runter zum Frühstück. Der Patron des Hauses empfängt uns persönlich und weist uns ins Frühstücksprozedere ein. Bitte diesen Tisch benutzen, hier sind Teller, Tassen und Besteck, das Brot (Baguette) bitte selbst zuschneiden, hier Marmelade und Kaffee sowie heißes Wasser für Tee, im Kühlschrank die Butter und der Orangensaft. Voila! Nicht zu vergessen: Auf dem Tisch liegt bereits ein Croissant pro Person bereit. Fragen? Bon appetit!

Dieses Sprüchlein lässt er jedem Gast zukommen, der zum Frühstück erscheint. Einer dieser Gäste entspricht so voll und ganz meinem Vorurteil eines Frühstück-Franzosen. Er stellt eine Tasse Kaffee vor sich auf den Tisch, schneidet ein Stück Baguette längs auf, knickt jede Hälfte zusammen und tunkt sie in den Kaffee. Nachdem ca. drei Zentimeter mit Kaffee vollgesogen sind, wird das Stück zum Mund geführt und abgezutzelt. Fünf Minuten später ist das Baguette verzehrt, die Kaffeetasse voll Krümel und das Frühstück beendet.

Bei uns dauert es etwas länger, aber wir haben es ja auch nicht eilig. Um kurz nach halb neun stehen wir in voller Montur vor dem Hotel und können endlich einen kritischen Blick zum Himmel werfen. Richtung Südosten ist der Ausblick klar und sehr weit. Die Berge dort sind noch von der Morgensonne beschienen und teilweise schneebedeckt. Richtung Südwesten sieht es schlecht aus, grau, wolkenverhangen, trübe. Ich sage bald einsetzenden Regen voraus. Anni mag diese Voraussagen gar nicht und meint, dass ich damit schlechtes Wetter immer nur heraufbeschwöre. Das mag ja alles sein, trotzdem kommt der Regenschutz schon mal sicherheitshalber über den Rucksack.

Eine halbe Stunde später regnet es, erst leicht, dann immer heftiger. Zunächst verzichte ich noch auf meinen Regenschirm, um damit zu signalisieren, dass es so schlimm schon nicht werden wird. Als es dann doch soo schlimm wird, zücke ich ihn dann doch und marschiere den Rest der Strecke unter ihm dahin.

Ach ja, mein Regenschirm! Wohin hat er mich schon alles auf meinen Wanderungen begleitet, wie oft bin ich wohl schon seinetwegen belächelt worden. In den Alpen, in Schottland oder Irland z.B. machte es die Runde: "Da kommt einer mit einem riesigen Regenschirm!" Stimmt! Aber ich war obenrum meist relativ trocken, die anderen klitschenass.

Anni ist da knallhart. Bei ihr muss wohl schon ein Wolkenbruch kommen, bis sie mal ihren Poncho benutzt. Einen Schirm hat sie aus Gewichtsgründen sowieso nicht mit. Ihr Anorak scheint gut wasserdicht zu sein. Ob das bei dem Fell von Sira genauso ist, wissen wir nicht. Es wäre schön, wenn sie uns da mal was zu sagen könnte. Trotzdem haben wir nicht den Eindruck, als würde sie der Regen nachhaltig stören. Sie läuft, hüpft, springt genauso vor uns her wie immer, schnuppert am Boden lang oder zeigt wachsames Interesse an der jeweiligen Umgebung wie eh und je. In der Unterkunft kann sie sich dann außerdem der besonderen Zuwendung ihres Frauchens sicher sein, das sie anhaltend trockenrubbelt und ihr zusätzliche Streicheleinheiten zukommen lässt. Außerdem ist ihr ein Platz an der warmen Heizung immer sicher.

Mit einem Phänomen, mit dem Anni und ich zu kämpfen haben, hat Sira mit Sicherheit nichts am Hütchen: Der laufenden Nase! Bitteschön, warum ist das so??? Wir sind beide nicht die Spur von erkältet. Eigentlich ist das ja ein Wunder, bei Regen, dicker Nebelsuppe und Kälte, trotzdem oft verschwitzt von den Aufstiegen, dann Pausen bis zum einsetzenden Frösteln. Aber nichts da, wir sind gesund ... und trotzdem läuft die Nase. Ich habe da schon mal an ein Tampon gedacht, aber wie sieht das denn aus? Der endlose Einsatz von Taschentüchern ginge mir auch auf den Senkel, das macht doch nur die Nase wund. Also da warte ich jetzt mal auf Tipps aus der Heimat.

Um 11.30 Uhr stehen wir drei begossenen Pudel vor der Mairie (Bürgermeisteramt) von St. Paulien. Da das Centre d'herbergement, wo wir für heute zwei Betten vorreserviert haben, eine kommunale Einrichtung ist, glauben wir uns an der richtigen Stelle und fragen drinnen nach. Und richtig! Sofort wird eine Mitarbeiterin abgeordnet, die uns zu unserer Unterkunft begleitet, uns aufschließt und einweist. Wir bekommen unser eigenes Zimmer mit zwei Stockbetten und einem kleinen Heizlüfter, der dieses schnell aufheizt. Dusche und Toilette sind über dem Flur und eine kleine Kochecke gibt es auch. Die Pilger sind zufrieden. Hier können wir problemlos den Rest des Tages verbringen.

Bei dem Haus handelt es sich übrigens um die alte Dorfschule. Das ist doch eine gute Idee! Alte, nicht mehr für schulische Zwecke nutzbare Schulgebäude in Herbergen umwandeln, das wäre doch was! Vielleicht kann man ja auch mal in Windeck über eine spätere Nutzungsänderung der einen oder anderen kleinen Grundschule nachdenken, vorausgesetzt die Schülerzahlen gehen weiter so erschreckend zurück. Da die Grundschule im Gemeindeteil Schladern in unmittelbarer Nähe zum neuen Natursteig Sieg liegt, könnte dort doch eine preisgünstige Übernachtungsmöglichkeit für Wanderer eingerichtet werden. Die Grundschule im Gemeindeteil Herchen schreit förmlich danach, eine Pilgerherberge zu werden. Immerhin ist in der dortigen Kirche auf einer Freske die Legende vom sog. Hühnerwunder von Santo Domingo della Calzada zu bewundern, wodurch als gesichert erscheint, dass im Mittelalter Jakobspilger auch ihren Weg durch das Siegtal genommen haben. Ich würde mich sogar bereiterklären, dort als Herbergsvater zu fungieren.

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Kommentare: 6
  • #1

    Barbara Große (Dienstag, 09 April 2013 23:47)

    Hallo Reinhard!

    Ja klar!

    Also doch nicht als Leseopa zurück zur Schule!
    Du der Herbergsvater und die wenigen verbliebenen Lehrer
    als das was sie immer schon waren:Animateure!!!
    Und eine heilige Köchin hätte ich auch noch im Angebot!

    Eure Berichte sind echt super und ich fühle mich an viele Lager mit mehrtägigen Wanderungen erinnert-macht
    Lust auf wandern, aber Leander meint wir sollten doch besser mit einer Radtour anfangen!Versteh ich gar nicht!
    Liebe Grüße aus dem nicht viel wärmeren Dattenfeld!
    Barbara

  • #2

    Dani (Mittwoch, 10 April 2013 09:22)

    Von wegen Herbergsvater. Du bist Rentner. Also benimm dich auch mal wie einer. Wegen der laufenden Nase: mach's wie Sira und benutz einfach die Zunge…

  • #3

    Anette (Mittwoch, 10 April 2013 19:40)

    Das mit der schniefenden Nase nervt echt!!! Kaum ist man draußen, geht es los. Ich habe immer in allen möglichen Taschen Tempo-Pakete, der Verbrauch ist enorm. Gegen die wunde Haut gibt es dann abends einen Klecks Penaten-Creme drauf, die gibt es ja auch in Mini-Dosen.Sieht blöd aus, hilft aber. Am nächsten Morgen kann es dann wieder losgehen......
    Weiterhin einen guten Weg!!

  • #4

    Mama Ingrid (Donnerstag, 11 April 2013 00:00)

    Noch ein Tipp Richtung "schniefende Nase": vielleicht waren es ja einfach nur die unterdrückten Tränen ob des schlechten Wetters, die sich da ihren Weg gesucht haben...
    Ja, so kenne ich meine Anni, selbst der stärkste Regen bringt sie nicht dazu, einen Schirm zu benutzen. Hast Recht, Anni, nur die Starken kommen in den Garten. Das scheint auch eine Art von Abhärtung zu sein.
    Siras Popo-Foto vom Vortag ist einfach klasse. Gott sei Dank kann sie sich nicht weiter einbuddeln als bis zum Rucksack. Hihi, glaub ich, dass manche Leute komisch gucken.

  • #5

    Michael Schnake (Donnerstag, 11 April 2013 19:38)

    Hallo Opa,
    Hallo Annika,
    Hallo Sira,
    Wir die Bodenberg Schule Schladern wünschen euch viel Spaß und viel Glück au eurer Reise mit euren 8 Beinen.
    Das Ihr unsere Schule zu einer Herberge umbauen möchtet, Finden wir aber entsetzlich.
    Wir möchten das diese tolle Schule uns und unseren Kindern und Enkeln erhalten bleibt. Im Gegensatz zu anderen Schulen, haben keine Probleme unsere Schule komplett zu besetzen.
    Wir sind aber sicher in Schladern gibt es andere Gebäude die dafür besten geeignet sind
    Liebe Grüße
    der Schulpflegschaft Vorsitzende
    Michael Schnake
    http://bodenbergschule-schladern.de

  • #6

    Juicers Reviews (Montag, 22 April 2013 16:54)

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