Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Sira unter Strom

Von St.-Thomas-la-Garde nach Montarcher, 20 km

Erst einmal: meinem Bruder Basti und meiner Cousine Maren alles Liebe nachträglich zum Geburtstag!

 

Heute habe ich mal richtig gut geschlafen! Der Blick aus dem Fenster verheißt allerdings nichts Gutes: Die Straßen sind nass! Es hat geregnet. Naja, der gestrige Tag hat auch so angefangen und sich zum Guten gewandt. Vielleicht klappt das heute auch.

Nach einem Frühstück mit dem köstlichsten Tee aller Zeiten (leider undefinierbaren Geschmacks und ohne Namen) begeben wir uns ins Nieselwetter. Unser Wanderführer verheißt uns heute ein Etappenziel auf 1170 m, also 700 m höher als unser Startpunkt. Puh! Gut, dass die Sonne nicht scheint und es heiß ist! Man muss dem schlechten Wetter nur etwas Gutes zuordnen, dann klingt es fast auch gut!

Nach einem Schlenker zum See Etang de Vidrieux laufen wir zunächst bergab und an einer Pferdeweide vorbei. Sira hat sich fast gut im Griff. Sie lässt nur einen kurzen Beller los, als die zwei Braunen neugierig auf sie zukommen. Und dann kommt doch tatsächlich wieder eine Ziege auf uns zu, als wollte sie die Pferde beschützen. Hat das hier in  Frankreich System? Sind Ziegen die neuen Wachhunde? Wer darüber Infos hat, kann sich hier gerne melden.

Sira holt sich allerdings statt von der Ziege lieber eine andere Abreibung ab; aus unerfindlichen Gründen hält sie ihre Nase kurz an den Stromzaun und PITSCH! kriegt sie einen Schlag. Oje, das ist ein Gejanker! Ziege und Pferde sind ihr jetzt völlig wurscht, sie will einfach nur weg. Und ich notgedrungen hinterher. Nach ein paar hundert Metern können wir sie beruhigen. Wir kommen nach La Provéra.

Der Regen hat inzwischen wieder aufgehört. Sag ich doch, man darf die Hoffnung nur nicht aufgeben.

An dieser Stelle komme ich mal wieder zur Kategorie "Infos, die keiner haben möchte". Papa und mir ist etwas aufgefallen. Es wird Zeit, dass jemand antacker- oder anklebbare Unterhosen erfindet. Es kann doch wohl nicht wahr sein! Sowohl bei ihm wie auch bei mir sitzt das blöde Ding nie da, wo es soll. Es rutscht hierhin und dahin, es zwickt andauernd und ewig muss man richten. Wenn jemand da ein Patentrezept hat, kann er sich auch gerne hier melden.

Kurz vor St.-Georges-Haute-Ville setzt Sira kurz zum Pipi machen an, da macht es wieder PITSCH! und sie jault und rennt panisch davon. Scheinbar hat sie sich an einen Drahtzaun gesetzt, den weder sie noch ich gesehen haben und als sie sich gehockt hat, ist sie mit dem Schenkel dagegen gekommen. Die arme Maus! Wir kriegen sie auch dieses Mal wieder mit viel Streicheln und gutem Zureden beruhigt.

Wir besteigen den Montsupt, begleitet von dem aufmunternden "Ultreia!" auf einem Hinweisschild. Auf der anderen Seite steigen wir wieder ab. Toll! Das hätten wir uns also sparen können. Naja, aber dann hätten wir den guten Montsupt aber eben auch nicht bestiegen. Alles hat seine Gründe.

Unser Abstieg führt uns durch eine merkwürdige Art von Wald. Der Feldweg, über den wir laufen, ist breit, rechts und links davon einige dünne Bäume. Vielmehr als lebende Bäume sahen wir allerdings tote, umgefallene und abgestorbene Gehölze. Eine merkwürdige Atmosphäre...

Ab Margerie-Chantagret beginnt dann tatsächlich der eigentliche Anstieg nach Montarcher. Über Feldwege und matschige Pfade gewinnen wir an Höhe. Sira hat sich von ihren elektrisierenden Erlebnissen wieder gut erholt. Sie ist albern und munter wie immer. Allerdings ist sie nicht begeistert von Pfützen, Bächen und Schlamm aller Art. Das zeigt sie mir ziemlich deutlich. Ohne Rücksicht auf Verluste hüpft sie leichtfüßig darüber und ich kann sehen, wo ich bleibe. Manchmal gerate ich ganz schön ins Schleudern, bevor ich doch noch gerade eben so den richtigen Tritt finde. Zweimal wäre es heute fast schiefgegangen.

In St.-Jean-Soleymieux ist ein Teilstück geschafft. Es folgt ein fast ebenes Stück, durch den Wald und über Bäche mit Stegen. Wieder das gleiche Spiel: Sira hüpft mir munter davon, ich fliege hinterher.

An einem Höfchen kurz vor La Citre haben wir fast einen neuen Harley gefunden: Dic heißt er, ist ein lustiger Scotch-Terrier und er und Sira spielen und toben, was das Zeug hält. Beendet wird das ganze Treiben von einer Frau mit Stock und Kopftuch, die ein irgendwie russisch klingendes Französisch spricht und den Terrier einzufangen versucht, mit ihrem Stock immer Prügel androhend. Der Terrier ist wenig beeindruckt von der Dame, die ein bisschen an eine Hexe erinnert. Er ignoriert sie einfach, so gut er kann. Irgendwann hat sie ihn aber dann doch, hält in fest und wir ziehen von dannen.

Bald haben wir die Steigung geschafft. Es war gar nicht so schlimm wie erwartet. Allerdings liegt hier oben doch glatt wieder Schnee. Ja, hört das denn nie auf?!?


Durch eine Moorlandschaft balancieren wir weiter. Nette Menschen haben Stege in das Moor gebaut, allerdings machen Schnee und der ziehende Hund mir den Weg nicht leicht. Ich schaffe es aber doch. Bei Papa wäre das um ein Haar schiefgelaufen. Er kommt ins Rutschen, fängt sich aber so gerade noch. Vor lauter Schreck hat er sich aber ein bisschen das Schultergelenk gezerrt. Ist aber scheinbar nicht sooo wild. Mal sehen, wie es ihm morgen geht.

Wenig später erreichen wir Montarcher, einen Ort auf dem Berg, bestehend aus drei Wohnhäusern, unserer Unterkunft, einer Kirche und der Mairie.

Da muss ich bis nach Frankreich laufen, um zu sehen: Es gibt NOCH kleinere Orte als Helpenstell!!!

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Kommentare: 4
  • #1

    Hans Platzjabeck (Samstag, 06 April 2013 22:53)

    Hallo liebe Afrika,
    zu dem Problem mit den rutschenden Unterhosen kann ich dir und Papa nur empfehlen, die logi slongo Unterhosen von Oma zu benutzen, also die mit Beinansatz! Ich bin von der Ostsee bis zur Adria zufuß gelaufen und hatte damit keine Probleme,
    viele Grüße
    Hans

  • #2

    Dani (Sonntag, 07 April 2013 17:31)

    Meine Empfehlung für die rutschenden Unterhosen wäre doppelseitiges Klebeband...

  • #3

    Mama Ingrid (Sonntag, 07 April 2013 20:08)

    Eieiei! Was für eine stilvolle Unterkunft! Eigentlich müsste ich noch was für die Schule arbeiten, aber ich bin lieber hier, bei euch.
    Hihi, Siras Erfahrung hat auch schon mancher der Jungs beim Pinkeln gegen einen Stromzaun gemacht. Learning by doing ;-) Mich freut sehr, wie eifrig und motiviert sie immer ist.
    Die Unterhose?! Ja, da hat Hans Recht. Bei uns hieß das "Sloggy long long", unerotisch, aber praktisch! Aber ihr habt ja vorher überall die Beine abgeschnitten, dann müsst ihr jetzt eben sehen...
    Vielleicht könnte man ja auch ohne....
    Okay, zum Wetter: ihr habt ja anderes als wir, aber bei uns war heute ein strahlend schöner Frühlingstag, sonnig und warm. Vielleicht ist es bei euch bald auch so :-)
    Halten die Socken noch, Anni?
    Morgen muss ich wieder in die Schule :-( Kann dann nicht mehr so viel schreiben.
    Drück euch ganz fest!



  • #4

    Hans Platzjabeck (Sonntag, 07 April 2013 22:21)

    Danke, Mama Ingrid, du hast Recht, aber als 62-jähriger
    Mann konnte ich mich nur ungefähr an die Werbung der 70er Jahre erinnern oder waren es die 60er Jahre?
    Viele Grüße und bald besseres Wetter,

    Hans