Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Hirngespinste

Von Groß Bois bis Propieres, 20 km

Die Nacht beginnt spät und endet früh, dank der beiden, sich lautstark und ungehemmt unterhaltenden französischen Paare. Auf unserem morgendlichen Gassigang muss ich zwar Pfützenspringen, aber wenigstens regnet es nicht.

 

Zum Frühstück sollen wir nach nebenan kommen, ins Schloss. Unser Herbergsvater empfängt uns in seinen heimischen Hallen, im Speisezimmer. Scheinbar ist er allein. Ich frage mich, ob er auch ganz allein hier lebt. Wofür braucht man dann so ein riesiges Anwesen? Und vor allem,  wie kann man sich das leisten?

 

Bevor wir aufbrechen, werfe ich einen kurzen Blick in die alten Stallungen und bin augenblicklich verliebt: Hier stehen mehrere alte Pferdekutschen, wie man sie aus Westernfilmen kennt, außerdem kleinere Karren zum Transport von Säcken etc. Sofort hab ich Bilder davon vor Augen, wie die Wagen genutzt werden. Und natürlich Bilder davon, wie wir mit dem kleinen Karren gen Compostela ziehen. Das wäre was. Aber Schluss mit Träumen. Taten warten!

 

Während des Frühstücks hat mal wieder Schneefall eingesetzt. Inzwischen ist daraus feinster Sprühregen geworden, in dem wir uns schwerfällig an unsere erste Steigung begeben. Immer weiter laufen wir durch den Wald hinauf bis zum Col de Crie, wo Papa einen Kaffee und Veronika eine heiße Suppe kredenzt. Frisch aufgewärmt und einigermaßen trocken geht es wieder hinaus, auf schlammige Waldwege und zurück ins düstere Wetter.

 

Das Wetter heute würde ich gar nicht zwingend als schlecht beschreiben. Es ist bedrohlich und bedrückend, aber auch extrem fantasieanregend. Als wir durch einen frisch abgeholzten und chaotischen Waldabschnitt laufen, habe ich sofort mehrere Horror-, Katastrophen- und Kriegsfilmszenarien im Kopf. Wenn wir durch klares sonniges Wetter laufen, ist meine Fantasie weitaus weniger aktiv.

 

Nach einem guten halben Tag beginnt die Atmosphäre mich allerdings so langsam zu nerven. Der Sprühregen kommt und geht, wird mal stärker, mal schwächer, aber der Nebel lässt zeitweise nur eine Sicht von unter 50m zu und ich fühle mich eingesperrt.

 

Als der Col de Patoux (915m) erreicht ist, geht es endlich wieder bergab. Allerdings landen wir dafür ziemlich bald in Holzfällarbeiten. Es ist laut, stinkt nach Motoröl und wir müssen mit Sprüngen dem Schlamm entfliehen, den die Zugfahrzeuge erzeugen.

 

Kurz darauf landen wir endlich unterhalb des Wolkenschleiers und freuen uns, in der Ferne die ersten Häuser Propières sehen zu können. Dummerweise wissen wir da noch nicht, dass wir bis zur Herberge noch einmal über eine Stunde ins Tal absteigen müssen, nur um es morgen aufs Neue zu erklimmen.

 

An der Unterkunft sind wir schlammig und bedient für heute. Sira entdeckt allerdings zum krönenden Tagesabschluss noch die zwei Katzen, die in unserer Herberge leben. Sie jault, sie schreit, sie bellt, sie hüpft, aber alles umsonst. Die Dame des Hauses nimmt es erstaunlich gelassen, sperrt die Katzen weg, und heißt uns willkommen.

 

Ihr mittelgroßer, alter Zottelhund (der bestimmt irgendwann in seinem Leben mal süß war), interessiert Sira nicht die Bohne. Erst als er später einmal die Klappe "seiner" Katzen verteidigt, nimmt Sira Notiz von ihm. Seine Verteidigung ist fast niedlich: Dieses Fellknäuel liegt an der Haustür, als mein Hund sich nähert, um die Katzenklappe genauer in Augenschein zu nehmen. Er schaut sie an und gibt eine Art heiseres Fauchen von sich. Das ist wohl seine Art zu Knurren. Dabei zieht er ganz leicht einen Mundwinkel hoch, was wie ein schüchternes Grinsen aussieht. Das ist wohl seine Art, die Zähne zu fletschen. Sira reagiert darauf respektlos wie immer; Sie fordert zum Spielen auf, als würde sie sich ganz herzhaft über seine Drohgebärden kaputtlachen. Konversation beendet!

 

Wenn doch jeder Konflikt so einfach zu lösen wäre!!!

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Kommentare: 1
  • #1

    Dani (Dienstag, 02 April 2013 13:07)

    Also, das Wetter kann ja echt nur besser werden. Aber die nächste Woche wird sonnig...