Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Einer dieser Tage...

Heute ist so ein Tag gewesen, der rundherum nicht so wollte wie ich. Alles wollte mich zanken.

 

Es ging schon heute Nacht los. Erst ist mir zu warm, dann ist mir zu kalt... Und ab sechs Uhr schlägt Sira an, weil sie Leute im Flur hört.

 

Wie jeden Morgen ziehe ich noch vor dem Frühstück brav mit ihr und einem Kackabeutel los zur nächsten Grünfläche. Durch ein alarmblinkendes Polizeiauto ist sie aber so abgelenkt, dass die Geschäfte ewig dauern. Und dann diese Kackesammelei auf nüchternen Magen... Nichts für mich, aber gehört halt dazu.

 

Wir laufen raus aus Nancy, ewig weiter durch Stadtgebiet. Dabei leuchtet mir ein, wie Hundehasser die guten Tierchen "Scheißköter" nennen können. Noch nie ist es mir so sehr aufgefallen wie hier in Frankreich. Klar, in Köln oder so gibt es fast auch, aber nicht in DEM Ausmaß! Der Gang über die Bürgersteige jeden größeren Ortes ist wie ein Marsch über ein Minenfeld: Mindestens eine Tretmine alle fünf Meter, mal bereits ausgelöst, mal nicht. Wieso lassen die Leute ihre Hunde eigentlich überall hinmachen? Und wieso machen die Hunde überall hin? Ich glaub, die Sira könnte das gar nicht. Was wir immer für ein Tänzchen aufführen müssen für einen geregelten Stuhlgang ...

 

Nach einem gut einstündigen Marsch durch die Vorstadt suchen wir mit Hilfe von Google Maps den richtigen Einstieg in den Wald. Leider sind auf der Karte ein paar mehr Wege als in echt, also dauert es ein Weilchen, bis wir endlich "drin" sind.

 

Mein Knie macht heute eher weniger Probleme, dafür hab ich aber das Gefühl, dass der Rucksack immer schwerer wird und mich jeden Tag einen Zentimeter kleiner werden lässt. Bei einer Körpergröße von 165 cm und noch vier Monaten Wanderung wäre das fatal.

 

Als wir den Wald verlassen, bin ich fast am Ende meiner Kräfte, aber wir haben noch über zehn Kilometer zu laufen. Gerade erst gut Zweidrittel geschafft! Um Papa nicht unnötig vollzuquengeln, halte ich schön meinen Mund, bin aber froh, als er in Villey-les-Sec die zweite Pause einläutet.

 

Danach gehts besser. Ich entscheide mich, nicht länger herum zu jammern. Papa und Sira tun es schließlich auch nicht.

 

Als wir uns so über die Landstraße quälen, sehen wir weit vor uns bereits die Kathedrale von Toul. Über den Orten in der Ferne sehen wir schwarze Regenwolken, die sich ergießen, während wir hier noch durch die Sonne gehen.

 

Als ich hier laufe, stelle ich mir zum ersten Mal die Frage, die sich wohl jeder irgendwann auf einer solchen Tour stellt: "Warum tu ich mir das eigentlich an?" Wieso sitze ich nicht zu Hause, sehe fern mit meinem Freund, koche was Schönes und mein Hund macht sich wohl schlummernd auf dem Sofa breit?

 

Und wie ich Meter um Meter näher auf die Stadt zulaufe, die ich am Horizont sehe, wird mir die Antwort klar: Um anzukommen. Vielleicht in Santiago. Vielleicht im Leben an sich. Vielleicht auch wieder zu Hause. Wo genau, wann, wie und warum, das finde ich vielleicht im Laufe der Zeit noch heraus.

 

Während ich unterwegs diese Gedanken habe, nähern wir uns Toul und meine Laune wird besser. Daran kann auch der plötzliche Regenschauer nichts ändern, der uns in einer Bushaltestelle Schutz suchen lässt.

 

Jetzt lieg ich hier, Papa schnarcht friedlich neben, der Hund auf dem Boden vor mir und ich bin bereit für das Bett.

 

Morgen ist ein neuer Tag.

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